Hohensaaten ist der Sündenfall. In dem unmittelbar an der Oder gelegenen Ortsteil von Bad Freienwalde will die Investorenfamilie Lindhorst 370 Hektar artenreichen Mischwald roden, teilweise versiegeln und dort einen der größten Solarparks Deutschlands errichten. Damit es die absolute Ausnahme bleibt, dass sich ein Umweltverband gegen eine geplante PV-Anlage aussprechen muss, drängt der BUND darauf, den Ausbau der Solarenergie in Brandenburg so zu steuern, dass Freiflächen-PV-Anlagen nur auf dafür geeigneten Flächen entstehen können.
Zuvor muss man aber etwas anderes klären: Wie viel Strom brauchen wir künftig? Diese wichtige Frage lässt die Brandenburger Energiestrategie von 2022 nämlich offen. Klar ist nur: Das Wirtschaftsministerium setzt auf Wachstum in der Stromproduktion. So lässt sich aber nicht ableiten, wie viel Fläche für welche Form der Energieerzeugung nötig ist. Hilfreicher ist da ein im Rahmen des Klimaplans erstelltes Gutachten, das in seinem Effizienz-und-Elektrifizierungs-Szenario annimmt, dass Brandenburg seine Stromproduktion bis 2045 auf 77 Terrawattstunden steigern muss. Davon sollen 37 TWh aus Wind- und 40 TWh aus Sonnenenergie stammen. Bislang produzieren PV-Anlagen in Brandenburg 3,6 TWh jährlich.
Wo könnten die vielen nötigen Solarmodule Platz finden? Die Energieagentur Brandenburg hat ermittelt, wie viel Potenzial die sogenannten EEG-Basisflächen bieten. Das sind vor allem Konversionsflächen, Parkplätze, Randstreifen von Straßen und Schienenstrecken sowie Deponien und Halden. Ergebnis: Auf 14.155 Hektar EEG-Basisflächen – das entspricht 0,47 Prozent der Landesfläche – könnten 27,4 TWh jährlich produziert werden. Auf den märkischen Dächern sieht die Energieagentur ein Potenzial von 24 TWh. Damit wäre die Energiewende theoretisch auch ohne Freiflächen- PV auf Grün- und Ackerland möglich.
Um die Dachnutzung zu forcieren, setzt sich der BUND für eine Solarpflicht ein. Dennoch ist nicht sicher, ob alle geeigneten Dachflächen und versiegelten Bereiche rechtzeitig für PV- und Solarthermieanlagen zur Verfügung stehen. Deshalb fordert der BUND analog zu den Instrumenten der Windkraftplanung Regionalpläne Solar. Diese legen aufgrund räumlicher Gegebenheiten fest, welche Gebiete für Freiflächen-PV geeignet sind und welche nicht. Grundsätzlich sollen folgende Flächen ausgeschlossen sein: Naturschutzgebiete, gesetzlich geschützte Biotope wie etwa Streuobstwiesen, Wiesenbrütergebiete, artenreiche Wiesen und Weiden, Fortpflanzungs- und Ruhestätten streng geschützter Arten, naturnahe Gewässer, intakte Moorflächen, Wälder und Waldränder.
Richtig geplant können PV-Freiflächenanlagen – auch finanziell – zum Artenschutz beitragen, zum Beispiel wenn die Betreiber*innen Trockenrasen und Mähwiesen anlegen oder zum Wohle von Amphibien und Bodenbrütern Platz zwischen den Modulen ungenutzt lassen. Ackerboden hält der BUND für keinen guten PV-Standort, wobei allerdings differenziert werden muss.
Auf rund 20 Prozent der Ackerfläche in Brandenburg wächst Silomais, dessen Ernte zu 60 Prozent in die Biogasproduktion geht. Und dies mit magerer Ausbeute: Nutzte man die gleiche Fläche für PV-Anlagen, so wäre der Energieertrag 30 bis 50 Mal höher! Im selben Maß, wie der Ausbau von Wind- und Solarenergie voranschreitet, sollte daher die Biogaserzeugung mit Mais zurückgefahren werden. Dies würde die Böden entlasten, das Grundwasser sauber halten und der Insekten- und Vogelvielfalt auch im Ackerland wieder eine Chance geben. Um Flächenkonkurrenz mit der Lebensmittelerzeugung zu vermeiden, fordert der BUND, dass bei PV-Anlagen auf Landwirtschaftsflächen eine Doppelnutzung festgeschrieben wird. Sprich: dass die Chancen der Agri-PV genutzt werden.
Hintergrundpapier des BUND Brandenburg zur Stromerzeugung mit Sonnen- und Windkraft
Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2023-3. Mehr zum Schwerpunktthema Solarenergie:
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