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Hier kommt die Sonne

15. August 2023 | BUNDzeit, Energiewende

Jahrzehntelang hatten die Umweltverbände mehr Photovoltaik und Solarthermie gefordert, jetzt endlich boomt das Geschäft mit der sanftesten Energie der Welt

Die frohe Kunde kam zu Pfingsten 2023: In Deutschland wurde die dreimillionste Solaranlage bei der Bundesnetzagentur gemeldet, damit beträgt die installierte Leistung von Photovoltaik (PV) mehr als 70 Gigawatt. Die drei letzten, am 15. April 2023 abgeschalteten Atomkraftwerke lieferten zusammen maximal drei Gigawatt. Laut Bundesverband Solarwirtschaft hat sich die Nachfrage nach Solarmodulen und -speichern zwischen 2019 und 2022 verdreifacht; allein im Heimsegment stieg die Zahl der installierten Anlagen im ersten Quartal 2023 um 159.000 Stück und 146 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Am 2. Juli stammten 95,3 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien. Fun fact: Ihren bisher leistungsstärksten Tag hatten die Erneuerbaren dieses Jahr aber mit 96,3 Prozent ausgerechnet am eher trüben, dafür sehr windigen 15. Januar. Diese erfreulichen Zahlen sind freilich nur Spitzenwerte, an windarmen Wintertagen decken die Erneuerbaren im schlechtesten Fall zusammen nur 20 Prozent der Stromnachfrage. Im Mittel produziert die Photovoltaik (PV) allein ein gutes Zehntel der nachgefragten Elektrizität. Also müssen die fossilfreien Energiequellen ihre Erträge deutlich steigern, was auch die Bundesregierung so sieht: Auf 80 Prozent soll der Anteil der Erneuerbaren an der Stromproduktion bis 2030 klettern.

Die Zukunft ist elektrisch

Das ist keine triviale Aufgabe angesichts der vielen Felder, die in den nächsten Jahren elektrifiziert werden müssen. In der Mobilität steht der Abschied vom Verbrennungsmotor an und in der Wärmeversorgung der Öl-, Kohle- und Gasausstieg. Ob für Elektromotoren, Wärmepumpen, Warmwasserversorgung oder für die Wasserstoffproduktion zugunsten jener industriellen Prozesse, die sich kaum elektrifizieren lassen – der Strombedarf wird wachsen. In dieser Situation ist es fahrlässig, nicht so viel Sonnenenergie zu ernten wie möglich.

Wie weit Berlin davon entfernt ist, seine solaren Potenziale auszuschöpfen, sieht man von jedem beliebigen Aussichtspunkt der Stadt. Bezirksübergreifend schimmern die Dächer noch viel zu selten im zeitgemäßen PV-Blau und das liegt sicher nicht daran, dass die ökologisch ebenfalls sehr wichtige Dachflächenbegrünung so viel Platz beansprucht. Ende 2022 erfasste das Statistische Landesamt 156 Megawatt installierte Leistung (nur Anlagen mit EEG-Einspeisevergütung), was rein rechnerisch gut reicht, um 20 ICE3-Züge fahren zu lassen. Um eine Dreidreiviertelmillionenstadt klimaneutral zu machen, ist es aber zu wenig.

Selbstverzwergung hilft wenig

Die gute Nachricht lautet aber: Seit 2019 hat sich die Zahl der PV-Anlagen auf jetzt 15.000 verdoppelt, es ist etwas in Bewegung gekommen. Inzwischen wird dem Solarboom auch gesetzlich nachgeholfen. Seit Jahresbeginn ist das von Rot-Grün-Rot beschlossene Solargesetz in Kraft, das bei Neubau und Sanierung die Installation von Solarmodulen verlangt. Obwohl es nicht allzu viel verlangt, nämlich PV-Anlagen auf mindestens 30 Prozent der Nettodachfläche oder zwei Kilowatt Leistung, stellt die inzwischen regierende CDU das Solargesetz in Frage. Ihr zufolge könnte die Solarpflicht Dachsanierungen verteuern und somit verhindern. Damit tut die CDU weder Hausbesitzer*innen noch Mieter*innen einen Gefallen, denn während fossile Energien teuer bleiben werden, ist selbstproduzierter Solarstrom längst schon der günstigste. Verzögerungen kosten nur Geld.

Wenn Kritik am Berliner Solargesetz angesagt ist, dann in entgegengesetzte Richtung. Warum nur 30 Prozent der Dachflächen? Wieso reichen zwei Kilowatt? Wie will man so das Ziel von 25 Prozent Solaranteil am in Berlin verbrauchten Strom erreichen? Zusammengerechnet sind die Berliner Dachflächen größer als der ganze Bereich innerhalb des S-Bahnrings. Warum also die Solarpflicht auf Neubau und Sanierungen beschränken und den riesigen Rest ignorieren? Mehr Augenmerk für den Bestand gilt auch und gerade bei den öffentlichen Gebäuden, die laut Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) bis 2024 auf PV-Eignung untersucht und im positiven Fall mit Modulen bestückt werden müssen. Trotz einiger Fortschritte – zum Beispiel plant die Messe Berlin auf ihren Dächern die größte Anlage der Stadt mit einer jährlichen Produktion von fünf Gigawattstunden – sieht es nicht so aus, als würde dieses BEK-Ziel rechtzeitig erreicht.

Unabhängigkeitserklärung am Balkon

Für den BUND ist klar: Berlin kann sich keine Solararmut leisten. Statt ein bisschen PV auf manchen Dächern brauchen wir Module auf allen geeigneten Dächern und Flächen, also auch über Straßen, Parkplätzen und Bahntrassen. Weil aber auch das den Strombedarf nicht komplett deckt, sollte Berlin auch seine Windkraftpotenziale realisieren und sich mit dem benachbarten Flächenland Brandenburg auf eine gemeinsame klimaneutrale Energieversorgung einigen, etwa per Staatsvertrag. Anders als bislang müssen die Regierungen auf Landes- und Bundesebene Effizienz und Suffizienz in den Vordergrund ihrer Energiepolitik stellen.

Vorbildlich agieren dagegen die vielen Bürger* innen, die nicht darauf warten, dass Vermieter*innen irgendwann unter gesetzlichem Druck Solarmodule aufs Dach montieren, sondern jetzt schon so viel Sonnenenergie ernten, wie sie in Eigenregie produzieren können. Balkonkraftwerke, so die gängige Bezeichnung für die Steckersolaranlagen, machen ihre Besitzer*innen zwar nicht energieautark, aber deutlich weniger abhängig. Sie zeigen im Kleinen, was die Solarenergie auch im Großen leisten kann: die Energiewende schnell, naturschonend und zum wirtschaftlichen Vorteil der Anwohner*innen in die Fläche bringen.

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2023-3. Mehr zum Schwerpunktthema Solarenergie:

So klappt es mit der Energiewende: Regeln für Freiflächen-PV in Brandenburg
„Manche Kulturen können in zehn Jahren ohne künstliche Verschattung nicht mehr angebaut werden“: Interview mit Agri-PV-Forscher Oliver Hörnle
Ökotipp Balkonkraftwerk
Solarenergie in Zahlen

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