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Lasst uns die Blockade auflösen!

15. Mai 2023 | BUNDzeit, Kohle, Klimawandel, Energiewende

Die Regierungen auf Bundes- und Landesebene reden von Fortschritt im Klimaschutz, während sie bestenfalls den Stillstand kultivieren. Nie war zivilgesellschaftliches Engagement wichtiger, um Chancen im Kampf gegen die globale Erhitzung zu wahren.

Foto: Björn Obmann

Widersprüchliche Nachrichten kamen im März von der Klimafront. Auf der einen Seite konstatierte der Weltklimarat, dass sich die Erde bereits um 1,1 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit aufgeheizt hat und sich das Zeitfenster zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels bald schließt. Auf der anderen Seite verkündete die Bundesregierung keine zwei Wochen später ihre Vision von Klimaschutz: „Straßenbau und Klimaschutz zusammendenken“ (also breitere Autobahnen kombiniert mit Photovoltaik), viel Geld für E-Fuels-Forschung (obwohl E-Mobilität längst etabliert ist) und Heizungstausch (oder auch nicht, wenn Wasserstoff statt fossilem Gas verheizt wird). Vor allem aber zieht die Ampelkoalition dem Klimaschutzgesetz die Zähne, indem sie verbindliche Sektorziele abschafft. Die Minister*innen, die für die Problembereiche Verkehr und Wohnen verantwortlich sind, müssen sich also keine Gedanken mehr machen, wie sie bestimmte CO2-Einsparungen erreichen. Ein Armutszeugnis auch für die Grünen.

Und auf Landesebene? Während sich herausstellt, dass die Brandenburger Landesregierung ohne Not Braunkohlekraftwerksblöcke aus der Sicherheitsreserve zurückholt, gibt sich in Berlin die neue schwarz-rote Koalition verbal klimafreundlich, aber unverbindlich. Kein Wort verwendet der Koalitionsvertrag darauf, wie das große Ziel der klimaneutralen Stadt erreicht werden soll. Konkret werden CDU und SPD dafür bei Rückschritten. Radwege sollen schmaler ausfallen, wichtige geplante Straßenbahnstrecken zur Disposition gestellt und das Tempelhofer Feld und andere grüne Flächen (teil-)bebaut werden.

Stinkefinger für die Jugend

Dass der Klimaschutz nicht einfacher wird, je länger man ihn aufschiebt, wissen vermutlich alle Politiker*innen in Regierungsverantwortung. Ihre Prioritäten verändert dies jedoch nicht. Kein Wunder, dass die Verzweiflung vor allem bei denjenigen wächst, die noch mehrere Jahrzehnte auf diesem Planeten vor sich haben. So ist es überaus nachvollziehbar, wenn Menschen sich zu zivilem Ungehorsam, etwa gegen Braunkohletagebaue oder Waldzerstörung, genötigt sehen. Der BUND ruft nicht zu Blockaden, Besetzungen oder ähnlichen Aktionen auf, aber er protestiert energisch dagegen, wenn Politik und Medien friedliche, unkonventionelle Proteste kriminalisieren oder gar in die Terrorismusecke stellen.

Zivilgesellschaftliches Engagement erschöpft sich nicht in Protesten. Wenn die da oben zu wenig tun, müssen wir eben die Veränderungen lokal vorantreiben, sagen sich unzählige Initiativen in Berlin und Brandenburg schon seit Jahren. Manche beginnen in einem überschaubaren Sektor Standards zu setzen, etwa das in den Nullerjahren begonnene BUND-Projekt zum Klimaschutz in Kliniken oder die wesentlich jüngere Initiative Clubtopia, die das Nachtleben umweltverträglich gestalten will. Andere suchen nach Zukunftsperspektiven in ehemaligen Kohlegebieten oder achten darauf, dass sich die öffentliche Hand an das hält, wozu sie sich verpflichtet hat, etwa im Fall Krampnitz in Potsdam.

Mit Klimaklagen gegen Politikversagen

Klimaschutz von unten ist kleinteilig und oft mühselig. Er ist aber – abgesehen von den konkret eingesparten Emissionen – nötig, um öffentlich zu zeigen, was technisch und gesellschaftlich geht. Allerdings kann es nicht allein die Aufgabe von besonders engagierten Menschen sein, die globale Erhitzung aufzuhalten. Der Staat muss verbindliche Regeln formulieren, wie die Treibhausgasemissionen reduziert werden, und diese tatsächlich durchsetzen. Nur wie bringt man ihn dazu?

Dieses Jahr beschäftigt sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EMGR) erstmals mit Klagen gegen unzureichende Klimamaßnahmen auf nationaler Ebene. So argumentieren etwa die „Klimasenior*innen“ aus der Schweiz, als alte Menschen seien sie heute schon in ihren Menschenrechten verletzt. In den häufiger werdenden Extremhitzephasen könnten sie ihr Zuhause (beziehungsweise ihren Keller) nicht verlassen und seien einem erhöhten Sterberisiko ausgesetzt. Anderes Beispiel für die juristische Schiene: Der BUND hat im Januar vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eine Klage gegen die Bundesregierung wegen der Nichteinhaltung der Emissionsziele in den Sektoren Verkehr und Gebäude eingereicht. Und wer weiß, ob das Bundesverfassungsgericht die Ampel-Attacke auf das Klimagesetz nicht am Ende kassiert.

Wahlrecht mit 16

Entscheidungsträger*innen in der parlamentarischen Demokratie neigen dazu, die Bereitschaft zu Veränderungen in der Bevölkerung zu unterschätzen. Ereignisse wie das Scheitern des Klima-Volksentscheids in Berlin im März scheinen ihre Position zunächst zu bestätigen. Aber wie wäre der Volksentscheid ausgegangen, wenn die Abstimmung inmitten eines weiteren Dürresommers stattgefunden hätte? Oder wenn sachliche Argumentation in den großen Medien mehr Platz als von Angst getriebene Stimmungsmache gefunden hätte?

Je jünger die heute lebenden Menschen sind, desto mehr werden sie von dem erleben, was mit dem neutralen Begriff „Klimawandel“ unzureichend beschrieben ist. Es wäre daher nur fair, das Wahlrecht auf allen Ebenen auf 16 Jahre zu senken. Politikwissenschaftler*innnen gehen davon aus, dass damit mittelfristig auch die Wahlbeteiligung der 20- bis 30-Jährigen steigt, denn wer schon im Schulalter die Mitwirkung an der demokratischen Willensbildung einübt, nimmt auch später eher an Wahlen und Abstimmungen teil. Der Klimaschutz ist für den Erhalt unserer Demokratie so wichtig, dass alle Teile darüber entscheiden müssen.

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2023-2.

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„Die Stadtgesellschaft muss mitreden“: Interview mit Volksentscheid-Sprecherin Jessamine Davis
Klimaschutz von unten: BUND-Projekte in Brandenburg und Berlin
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