Am 15. April 2019 startete ein breites Bündnis aus Naturschutzverbänden, -stiftungen und Einzelpersonen die Volksinitiative „Artenvielfalt retten - Zukunft sichern!“. Ziel war es, dem Insektenstreben effektiv entgegenzuwirken. Dazu hatten die Initiatoren u.a. ein Pestizidverbot in Schutzgebieten, Pufferzonen um Gewässer und die Vergabe von Agrarsubventionen auf der Grundlage von umweltgerechtem Handeln gefordert und einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Die Volksinitiative traf auf eine überwältigende Resonanz in der Bevölkerung. Bereits 9 Monate nach dem Start konnten dem Brandenburger Landtag 73.052 Unterschriften überreicht werden.
Auf der Grundlage eines Gutachtens des Parlamentarischen Beratungsdienstes hatte damals der Hauptausschuss des Landtages die Volksinitiative für rechtlich unzulässig erklärt. Es wurden formale Mängel behauptet und vorgetragen, die Volksinitiative verstoße gegen das so genannte Kopplungsverbot. Aus diesem Grund hat die Volksinitiative im April 2020 das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg angerufen.
Dieses hat nun den Antrag der Volksinitiative abgelehnt. Das Gericht ist der Auffassung, dass 2020 der Antrag der Volksinitiative auf gerichtliche Überprüfung nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von einem Monat vorgelegt worden ist. Aus diesem formalen Grund hat das Verfassungsgericht den Antrag der Volksinitiative als unzulässig verworfen. Damit ist eine inhaltliche Klärung, ob das Rechtskonstrukt Kopplungsverbot in Brandenburg gilt, ausgeblieben. Eine Anfechtung der Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes ist nicht möglich. Der Rechtsvertreter der Volksinitiative, Prof. Dr. Arne Pautsch erklärt: „Bei allem gebotenen Respekt vor dem Verfassungsgericht stellt sich schon die Frage, wie denn der Volksinitiative rechtliches Gehör verschafft werden soll, wenn zwar zum einen der Rechtsbehelf ausdrücklich an die Bekanntgabe des Beschlusses der Landtagspräsidentin geknüpft ist, diese Bekanntgabe aber nicht eine Silbe zu den Gründen der Ablehnung durch den Hauptausschuss enthält. Nur eine ordnungsgemäße Bekanntgabe und die Kenntnis der Gründe der Ablehnung kann die Vertreter der Volksinitiative zu einem sachgerechten Vorbringen gegenüber dem Gericht in die Lage versetzen. Es befremdet zudem, dass das Verfassungsgericht sich nach vorsorglich fristgemäßer Erhebung des Rechtsbehelfs durch die Initiative und dann ankündigungsgemäß nachgereichter Begründung ja tatsächlich auf das Verfahren eingelassen und es über fast vier Jahre unter anderem auch durch prozessleitende Maßnahmen betrieben hat, um nun zu dem Ergebnis zu gelangen, die Anträge wegen Unzulässigkeit zu verwerfen.“
In der Zwischenzeit hatte es den Versuch gegeben, mit den Naturschutz- und Landnutzerverbänden unter Beteiligung der Landtagsfraktionen eine Verständigung zu erreichen. Nach mehr als zwei Jahren Dialogprozess sind diese Verhandlungen Ende 2022 endgültig gescheitert. Ein Gesetzentwurf für mehr Natur- und Insektenschutz wurde durch den Landtag Brandenburg nicht verabschiedet.
Bei den Initiatoren ist die Enttäuschung groß. Björn Ellner, Landesvorsitzender des NABU Brandenburg: „Mit unserer Volksinitiative hätten wir insektenschonende bzw. -fördernde Maßnahmen auf großen Flächen umsetzen können. Doch vielen Landnutzern und Politkern scheint der dramatische Verlust der Artenvielfalt ziemlich egal zu sein. Ein „weiter so wie bisher“ ist wohl die bequemste Lösung. Doch damit schreitet das Artensterben leider ungebremst voran.“ Friedhelm Schmitz-Jersch, damaliger NABU-Landesvorsitzender und einer der Vertreter der Volksinitiative, resümiert: "Die Ziele der Volksinitiative sind notwendiger denn je. Wir stehen wieder vor Rückschritten beim Schutz der Natur. Die Politik knickt wegen der teils gewalttätigen Bauerproteste ein."
Carsten Preuß, Vorsitzender des BUND Brandenburg, zeigt sich gleichfalls enttäuscht: „Der Insektendialog sollte eigentlich ein demokratisches Vorzeigeprojekt sein. Eine große Landtagsmehrheit hat das Projekt bewusst in eine Sackgasse geführt. Das ist ein vernichtendes Zeugnis für unsere real funktionierende Demokratie in Brandenburg und für die Zukunft der Biodiversität insbesondere der Insektenwelt.“
Friedhelm Schmitz-Jersch, damaliger NABU-Landesvorsitzender und einer der Vertreter der Volksinitiative resümiert: "Die Ziele der Volksinitiative sind notwendiger denn je. Wir stehen wieder vor Rückschritten beim Schutz der Natur. Die Politik knickt wegen der teils gewalttätigen Bauerproteste ein."
Am 15. April 2019 startete die VI „Artenvielfalt retten – Zukunft sichern!“ u. a. mit diesen Forderungen:
- dass in Naturschutzgebieten und FFH-Gebieten keine Pestizide eingesetzt werden dürfen,
- dass landeseigene Flächen ökologisch bewirtschaftet werden,
- dass es größere Pufferzonen um Gewässer gibt,
- dass Agrarsubventionen nicht nach Fläche, sondern nach umweltgerechtem Handeln ausgegeben werden,
- dass Kommunen ihre Flächen pestizidfrei bewirtschaften,
- dass es weniger Lichtverschmutzung
- und weniger Flächenverbrauch gibt.
Hintergrund zum Koppelungsverbot
Die Volksinitiative ist der Auffassung, dass die Übernahme des Kopplungsverbots für Brandenburg nicht der Landesverfassung entspricht. Dieses Rechtskonstrukt war in den siebziger Jahren vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof entwickelt worden. Es besagt im Wesentlichen, dass in einer Volksinitiative nicht unterschiedliche Themen miteinander verbunden werden dürfen. Unklar ist bislang aber, ob es auch im Verfassungsraum des Landes Brandenburg gilt und wo bei einem Gesetzentwurf wie dem der Volksinitiative „Artenvielfalt retten - Zukunft sichern!“ die konkreten möglichen rechtlichen Grenzen der Kopplungsverbots verlaufen. Aus diesem Grund hat die Volksinitiative im April 2020 das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg angerufen. Diese Möglichkeit eröffnet § 11 des Volksabstimmungsgesetzes.
Die Artikel zur Volksgesetzgebung sind wesentlicher Bestandteil der Anfang der Neunziger Jahre erarbeiteten Verfassung. Auch aufgrund der Erfahrungen der Runden Tische der Wendezeit besitzen diese Regelungen eine besondere Bedeutung und dürfen nicht einengend ausgelegt werden. Eine Anwendung des Rechtskonstrukts des Kopplungsverbots in Brandenburg würden die Möglichkeiten von Volksinitiativen wesentlich einschränken. Für die Volksinitiative steht außerdem fest, dass die Gegenstände ihres Gesetzentwurfs in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen. Alle Forderungen der Volksinitiative beziehen sich auf eine naturverträgliche Landwirtschaft zur Bekämpfung des Arten- und Insektensterbens.
Hintergrund zur Entscheidung des Landesverfassungsgerichts
Das Gericht ist der Auffassung, dass 2020 der Antrag der Volksinitiative auf gerichtliche Überprüfung nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von einem Monat vorgelegt worden ist. Aus diesem formalen Grund hat das Verfassungsgericht den Antrag der Volksinitiative als unzulässig verworfen. Damit ist eine inhaltliche Klärung, ob das Rechtskonstrukt Kopplungsverbot in Brandenburg gilt, ausgeblieben. Eine Anfechtung der Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes ist nicht möglich.
Die Verwerfung des Antrags der Volksinitiative aus formalen Gründen ist allerdings rechtlich zweifelhaft. Denn den Vertretern der Volksinitiative ist der Beschluss durch die Präsidentin des Landtages bekannt zu geben, und der Antrag nach § 11 des Volksabstimmungsgesetzes setzt wiederum für die Beginn der Rechtsbehelfsfrist von einem Monat eine ordnungsgemäße Bekanntgabe voraus.
Das Schreiben der Landtagspräsidentin, mit dem der Beschluss des Hauptausschusses der Volksinitiative mitgeteilt wurde, entsprach nach Auffassung der Volksinitiative aber nicht den gesetzlichen Anforderungen. Das Schreiben vom 4. März 2020 enthielt weder den Beschluss des Hauptausschusses noch eine Begründung, mit der sich die Volksinitiative hätte auseinandersetzen können.