BUND Landesverband Brandenburg
Mitglied werden Jetzt spenden
BUND Landesverband Brandenburg

Ein Stückchen Lüneburger Heide

20. August 2023 | BUNDzeit, Naturerleben, Naturschutz

Vor 30 Jahren zog die Rote Armee aus der Kyritz-Ruppiner Heide ab. Höchste Zeit nachzusehen, wie sich die Natur dort seither entwickelt hat.

Aus Braun wird Rot: Im August beginnt die Heideblüte. Foto: Sebastian Petrich

Kein Mensch ist weit und breit zu sehen. Nicht an der Ziegenmelkerhütte, nicht an der Steinschmätzerhütte und auch nicht auf der rund sieben Kilometer langen Wegstrecke zwischen dem westlichsten und dem östlichsten Rastplatz im zugänglichen Teil der Kyritz-Ruppiner Heide. Zumindest nicht an diesem sommerlichen Wochentag vor Beginn der Heideblüte (Faustformel: 8. August bis 9. September). Zu hören ist zunächst vor allem Wind, dann immer mehr Vogelstimmen. Recht seltene Vögel leben in der Kyritz-Ruppiner Heide. Etwa der Wiedehopf, der mit seinem Schnabel im Sand nach Insekten sucht, und die Heidelerche, die zum Brüten auf offene, mäßig kultivierte Flächen angewiesen ist, wie sie in der modernen Agrarlandschaft selten geworden sind. Oder der Raubwürger, der andere Vögel anlockt, indem er ihren Gesang imitiert, und sie dann auf Dornen aufspießt. Oder aber der Ziegenmelker. Der ist allerdings nachtaktiv und tagsüber eher selten zu hören.

Eine Stufe weiter unten in der Nahrungskette finden sich auf trockene Lebensräume spezialisierte Insekten wie Ameisenwespe, Ameisenlöwe, Blauflügelige Ödlandschrecke, Heide-Sandlaufkäfer. Nicht zu vergessen Schmetterlinge: Ameisenbläuling, Heidekrautrüssler, Kleine Nachtpfauenauge und Ginsterbürstenspinner. Allerdings gibt es keine Garantie, all diese Arten wirklich zu sehen – das gilt auch für das Wolfsrudel, dessen Existenz in der Kyritz-Ruppiner Heide nachgewiesen ist.

In der Flora dominiert die aus der Lüneburger Heide wohlbekannte Besenheide. Das war freilich nicht immer so. Im 18. und 19. Jahrhundert erstreckte sich hier Wald mit einigen Teeröfen und Glashütten. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Großteil der durch Schädlingsbefall bereits geschädigten Kiefern gefällt, das Holz ging als Reparationsleistung in die Sowjetunion oder diente als regionaler Brennstoff. Ab 1947 nutzte die Rote Armee die Kyritz-Ruppiner Heide als Truppenübungsplatz. Dieser wuchs in den nächsten Jahrzehnten auf fast 12.000 Hektar – so groß sind die Berliner Bezirke Tempelhof-Schöneberg, Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg zusammen. Im Norden fanden Panzer- und Artillerieübungen statt, im Süden probte die sowjetische Luftwaffe Bombenabwürfe und zeigte sich dabei nicht immer zielsicher. 1984 bombardierte ein Pilot irrtümlich einen Acker zwischen Grabow und Königsberg, rund 14 Kilometer Luftlinie westlich des Truppenübungsplatzes. Beim geheim gehaltenen Aufräumen der fehlgeleiteten Streubomben sollen viele Rotarmisten verletzt worden sein.

Nachdem die Russen im August 1993 die Kyritz-Ruppiner Heide verlassen hatten, wollte die Bundeswehr das Gelände für Luft-Boden-Schießübungen nutzen. Gegen das „Bombodrom“ machten aber Dutzende Initiativen mobil. Als es das jahrelange politische und juristische Seilziehen verloren hatte, nahm das Verteidigungsministerium 2009 Abstand von der Bombenidee. Anschließend übernahm die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben das stark munitionsbelastete Gelände und seit 2012 ist die Heinz Sielmann Stiftung für ein 4.000 Hektar großes Teilstück zuständig, wo sie 1.906 Tierarten nachwies, darunter einige, die man in Brandenburg bislang noch nie gesehen hatte. Viele dieser Arten sind auf die offene Landschaft im Allgemeinen und die Besenheide im Besonderen angewiesen.

Weil glücklicherweise keine Bomben und Panzerketten mehr den Boden malträtieren und es bedauerlicherweise anders als in früheren Jahrtausenden keine Wisente, Wildpferde oder Auerochsen in der Gegend gibt, stellt sich nun die Frage, wie die Heidelandschaft offengehalten und Verbuschung und Verwaldung gestoppt werden soll. Jetzt ist menschliche Pflege gefragt: gezieltes Abbrennen ausgewählter Teilbereiche und Mähund Fällarbeiten, was in der munitionsbelasteten Landschaft kein triviales Unterfangen ist.

Besuchshinweise: Bitte die markierten Wege nicht verlassen! Sonnenschutz, ausreichend Essen und Trinken mitbringen (vor Ort keine Gastronomie). Ab Waldbrandstufe 4 die Heide nicht betreten! Die Wege sind radelbar, abschnittsweise aber sehr sandig. In Pfalzheim gibt es einen Pedelecverleih, außerdem bieten ein paar Unternehmen Kremserfahrten an.

Anreise: RE 6 bis Netzeband, von dort zu Fuß oder per Rad nach Pfalzheim (6 km)
www.kyritz-ruppiner-heide.de

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb