Anbau von Biomasse für die Energiegewinnung muss naturverträglich erfolgen!
Der Erzeugung von Energie aus Biomasse kommt im Zuge des vollständigen Umstiegs auf erneuerbare Energien eine wichtige Rolle zu, denn sie ist vielfältig einsetzbar (z. B. als Gas in KWK-Anlagen, flüssiger Treibstoff in Fahrzeugen, Pellets zum Heizen …) und kann in ihrer Form als biologischer Speicher zur Spitzenlastdeckung oder als Regelenergie die fluktuierende Wind- und Sonnenenergie ausgleichen.
Ende 2015 waren in Brandenburg 482 Biogasanlagen mit 255 MWel Gesamtleistung in Betrieb.[1] Laut Prognos waren es 440 MW installierte Leistung. Dieser Wert soll laut der berechneten Szenarien bis 2030 eher wieder zurückgehen (auf 270 MW).
Die bisherigen Biogasanlagen laufen nahezu vollständig als „Grundlast“, das heißt sie passten ihre Stromproduktion kaum an die vorhandenen FEE (fluktuierende erneuerbare Energien; Sonne und Wind) an. Seit 2012 wurden in der EEG-Förderung zwar erste Anreize zur Flexibilisierung geschaffen, welche jedoch noch nicht ausreichen. Daher müssen diese Bemühungen zukünftig noch erheblich verstärkt werden. Vor allem, wenn in acht bis zehn Jahren die EGG-Einspeisevergütung der Bestandsanlagen ausläuft, sollte die flexible Nutzung vorrangiger Bestandteil einer Anschlussförderung sein. Die Anreize sollten sich nicht nur auf eine Flexibilisierung der Stromerzeugung an den Biogasanlagen direkt beziehen, sondern auch den Bau von Gasaufbereitungs- und Einspeisungsanlagen attraktiver machen. Der Transport von Biogas im Erdgasnetz ermöglicht die verbrauchsnahe Erzeugung von Strom und Wärme in hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK).
Die energetische Nutzung von Biomasse ist nicht per se nachhaltig. Wenn beispielsweise riesige Maismonokulturen entstehen, auf denen Dünger und Pestizide eingesetzt werden, können die Artenvielfalt und die Klimabilanz darunter leiden. Der drastische Rückgang bei vielen Feldvögeln seit Beginn der Biomasseförderung ist hierfür ein deutliches Alarmsignal.[2] Wenn der Anbau noch dazu auf entwässerten Niedermoorflächen geschieht – in Brandenburg kein seltenes Phänomen – ist der Nutzen für den Klimaschutz gering oder gar kontraproduktiv. Das Potenzial der Energieerzeugung aus Biomasse ist relativ begrenzt. Die Flächen für den Biomasseanbau konkurrieren mit anderen wichtigen Landnutzungen, wie dem Naturschutz oder der ökologischen Erzeugung von Lebensmitteln. Daher sollten alle Möglichkeiten der Verwendung von Reststoffen aus der Landschaftspflege, aus Abfällen sowie aus Land- und Forstwirtschaft genutzt werden und deren energetische Nutzung mit finanziellen Anreizen versehen werden (außer Gülle aus industrieller Tierhaltung). Letzteres gilt auch, wenn der Anbau von zusätzlicher Biomasse ohne die Nutzung von Dünger und Pestiziden in blütenreichen Mischkulturen oder mit abwechslungsreicher Fruchtfolge stattfindet, so dass die Natur von diesem Anbau ebenfalls profitiert. Auch neue Konzepte, wie die Nutzung von Biomasse aus wiedervernässten oder intakten Mooren (Paludikultur), sollten hier berücksichtigt werden. Für den konventionellen Anbau von Biomasse müssen Mindeststandards gelten, welche unter anderem ein Minimum an Fruchtfolge und ein Verbot von gentechnisch veränderten Pflanzen beinhalten sollten.[3] Die brandenburgische Biomassestrategie von 2010[4] berücksichtigte diese Punkte nur unzureichend und wurde dafür vom BUND Brandenburg kritisiert. Gleichwohl ist zum Beispiel der Einsatz von alternativen Energiepflanzen zu Mais und Raps zurzeit nicht wirtschaftlich und die Landesregierung hat auf die grundsätzliche Ausgestaltung der EEG-Förderung nur begrenzten Einfluss. Umso mehr muss zumindest eine strenge Überwachung der Einhaltung der „Cross Compliance“ und der „guten fachlichen Praxis“ beim konventionellen Anbau von Biomasse erfolgen. Alternativ könnten die Länder die Nutzung des Aufwuchses mehrjähriger Blühflächen auch als Agrarumweltmaßnahme fördern und damit attraktiver machen. Dafür müsste dies jedoch in den GAK-Rahmenplan aufgenommen werden, um die Kofinanzierung durch den Bund zu ermöglichen.[5]
Der Nutzung von Reststoffen, Abfällen und Wirtschaftsdünger (= Gülle und Festmist) für die Energiegewinnung wird mittlerweile von der brandenburgischen Landesregierung mehr Beachtung geschenkt. Als Teil der Fortschreibung der Biomassestrategie wurde im Auftrag des heutigen MLUL eine Analyse durchgeführt, wie viele Reststoffe aus der Landschaftspflege, beispielsweise von extensiver Grünlandnutzung, Pflege von Offenlandbiotopen, Mäharbeiten an Straßen und Schienen sowie aus der Gewässerunterhaltung, für die Energieerzeugung potentiell zur Verfügung stehen.[6] Das Ergebnis zeigt, dass diese Reststoffe ein nicht zu vernachlässigendes Potenzial für eine naturverträgliche und dezentrale Biomassenutzung bieten („Im Ergebnis stehen etwa 300.000 t TM der untersuchten Materialien zur Verfügung [für Verbrennung oder Biogaserzeugung]. Die insgesamt zur Verbrennung geeigneten Potenziale könnten einen jährlichen Beitrag von 1.350 MWh zur Wärmeerzeugung beitragen. Werden alle verfügbaren Potenziale in der Biogasproduktion eingesetzt, können unter restriktiven Annahmen jährlich etwa 700 MWh Strom und einhergehend rund 868 MWh Wärme erzeugt werden.“). Dabei muss jedoch die gesamte CO2-Bilanz betrachtet werden; lange Transportwege der Reststoffe sind zu vermeiden.
Die Nutzung dieser Stoffe wäre eindeutig zu begrüßen, da sie keine Konkurrenz zu anderen Landnutzungen darstellt und der Naturschutz von der besseren Pflege von Offenlandbiotopen sogar profitieren würde. Zudem würde eine dezentrale Nutzung der Materialien die regionale Wertschöpfung stärken. Die Landesregierung ist hier nun gefragt, ein Konzept auszuarbeiten, wie die ökonomischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Mobilisierung dieses Potenzials geschaffen werden können. Auch bei der energetischen Nutzung von industriellen und gewerblichen Abfällen besteht noch ein gewisses Potenzial, welches vollständig genutzt werden sollte.[7]
Der Zubau von Biogasanlagen in Brandenburg ist seit 2014 aufgrund der neuen Vergütungsregel nahezu gestoppt. Die Energiestrategie von 2012 sah deshalb eine qualitative, nicht quantitative Entwicklung der Biomasse auf 58 PJ Primärenergieverbrauch (PEV) bis 2030 vor. Dies wäre real eine Reduzierung der Biomasse, da 2015 bereits ein PEV von 85 PJ bilanziert wurde. Der aktuelle Entwurf der überarbeiteten Energiestrategie weist dahingegen eine drastische Erhöhung der Zielstellung der Biomassenutzung auf 80 PJ aus, die weder durch das Flächenangebot im Land noch anderweitig herzuleiten ist und unter ökologischen Gesichtspunkten sehr bedenklich erscheint. Ein Teil der erhöhten Biomassenutzung geht dabei auf die verlängerte Nutzung des Kraftwerkes Jänschwalde und die dort stattfindende Mitverbrennung von Abfallhölzern und anderen Reststoffen zurück (ca. 10–15 PJ). Ein weiterer Teil der Erhöhung der PEV-Nutzung geht jedoch auf die pauschale Annahme zurück, dass der Zubau von Biogasanlagen analog zu den Vorjahren stattfindet. Diese Entwicklung ist jedoch spekulativ und widerspricht den Prognos-Aussagen zum ersatzlosen Rückbau von Anlagen ab 2035.[8] Die Zielstellung im Biomassebereich sollte dringend bei maximal 58 PJ bleiben, da eine nachhaltige und stabile Entwicklung oberhalb der 50–60 PJ PEV nicht möglich erscheint.
Fazit
Bei der Energiegewinnung aus Biomasse wurde das Ziel der Energiestrategie für 2030 bereits übererfüllt. Da bereits jetzt negative Auswirkungen auf Natur und Umwelt festzustellen sind, muss die Biomasse gedrosselt werden. Künftige Maßnahmen müssen sich auf die Verbesserung der Naturverträglichkeit sowie der Effizienz und der Eingliederung in das Gesamtenergiesystem konzentrieren. Die Landesregierung sollte sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass ökologisch vorteilhaftere Biomasse finanziell begünstigt wird.
Auf Landesebene sollte die Einhaltung der „Cross Compliance“ (z. B. Einhaltung der Fruchtfolge, Humusaufbau, Erosionsschutz etc.) beim konventionellen Anbau von Energiepflanzen streng überwacht werden. Die ermittelten Potenziale bei der Verwendung von Reststoffen aus der Landschaftspflege, Wirtschaftsdüngern und gewerblichen sowie industriellen Abfällen sollten dringend mobilisiert werden. Dafür kann die Landesregierung die organisatorischen und eventuell auch ökonomischen Voraussetzungen schaffen. In jedem Fall sollte die Gesamtklimabilanz (Berücksichtigung von Treibhausgasemissionen aus Transport, Dünger, Tierhaltung, Moorentwässerung usw.) der Biomasse-Energie berücksichtigt werden. Auf Bundesebene sollten weitere Anreize für die nötige Flexibilisierung der Stromerzeugung in Biogasanlagen und deren bessere Abwärmenutzung geschaffen werden.
Quellen
[1] MLUL (2016) „Optimierung von Biogasanlagen – Leitfaden zum Betrieb von Biogasanlagen in Brandenburg“. Abrufbar unter: http://www.mlul.brandenburg.de/cms/media.php/lbm1.a.3310.de/Leitfaden-Optimierung-Biogasanlagen.pdf
[2] Martin Flade (2012) „Von der Energiewende zum Biodiversitäts-Desaster – zur Lage des Vogelschutzes in Deutschland“. VOGELWELT 133:149–15. Abrufbar unter: http://www.lbv-landshut.de/Energie-Biodiversitaet.pdf
[3] Mehr Informationen im BUND-Positionspapier: https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/bund/position/bund_energetische_nutzung_biomasse_position.pdf
[4] MUGV (2010) „Biomassestrategie des Landes Brandenburg“. Abrufbar unter: https://mluk.brandenburg.de/media_fast/4055/bmstrategie.pdf
[5] Vgl. Netzwerk Lebensraum Feldflur (2017) „Förderung mehrjähriger Wildpflanzenmischungen als Energiepflanzen“. Abrufbar unter: http://lebensraum-brache.de/wp-content/uploads/2017/01/BiomasseForderung_NLFlur_GAK2017.pdf
[6] MUGV (2014) „Landschaftspflegematerial im Land Brandenburg – Potenzialermittlung und Möglichkeiten der energetischen Verwertung“. Abrufbar unter: http://www.mlul.brandenburg.de/cms/media.php/lbm1.a.3310.de/Landschaftspflegematerial-im-Land-Brandenburg.pdf
[7] MUGV (2014) „Zustandserfassung und Prognose der Bewirtschaftung industrieller und gewerblicher Bioabfällen im Land Brandenburg“. Abrufbar unter: http://www.mlul.brandenburg.de/cms/media.php/lbm1.a.3310.de/Industrielle-und-gewerbliche-Bioabfaelle.pdf
[8] Prognos (2017) „Evaluation und Weiterentwicklung des Leitszenarios sowie Abschätzung der Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte“. S. 52. Abrufbar unter: https://www.prognos.com/uploads/tx_atwpubdb/Prognos_Gutachten_zur_Energiestrategie_Brandenburg_final.pdf