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Landesregierung vernachlässigt Blick auf Reserveantibiotika in der Tierhaltung

01. Juni 2016 | Massentierhaltung, Landwirtschaft, Antibiotika

Anlässlich der Berichterstattung zum Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung auf der heutigen Sitzung des Brandenburger Verbraucherschutzausschusses fordert der BUND Brandenburg von der Landesregierung, die weitere Reduzierung konsequent durchzusetzen und Transparenz bei Reserveantibiotika herzustellen. Ein besorgniserregendes Bild für Märkisch-Oderland liefert eine eigene Auswertung des BUND Brandenburg.

Die Landesregierung hat nach längerem Druck aus dem Parlament und dem erfolgreichen Volksbegehren gegen Massentierhaltung nun endlich konkrete Zahlen zum Antibiotika-Einsatz in Brandenburg vorgelegt. Besonders viele Masthühner- und –putenbetriebe in Brandenburg liegen demnach über dem Bundeswerten der Therapiehäufigkeit. Entsprechend der vorgelegten Auswertung liegen 152 Betriebe (Mastferkel 38, Mastschweine 25, Mastputen 16, Masthühner 14, Mastkalb 22, Mastrind 37) im oberen Viertel der Therapiehäufigkeit (über der sogenannten „Kennzahl 2“). Sie wendeten im 2. Halbjahr 2015 also besonders lange und bei vielen Tieren Antibiotika an. Diese Betriebe unterliegen einer schärferen Restriktion und müssen zusammen mit einem Tierarzt beim Kreisveterinäramt Maßnahmepläne vorlegen, wie und bis wann der Antibiotikaeinsatz reduziert werden kann.

"Dass nun endlichen Zahlen vorliegen, ist ein echter Erfolg. Nach vielen Anläufen und Eintragungsfehlern sinkt der Einsatz anscheinend gemessen an der Therapiehäufigkeit. Jetzt muss dieses Instrument aber auch konsequent angewendet werden: Das heißt: Die bei besonders hohem Einsatz vorgelegten Maßnahmepläne müssen eingefordert und überwacht werden. Fraglich ist, ob und wenn ja, welche Sanktionen erlassen werden, falls keine Reduzierung einsetzt. Immerhin betrifft das ca. 20 Prozent aller brandenburgischen Tiermastbetriebe, bei Mastferkeln sogar 36 Prozent. Die Landesregierung ist hier weiter in der Pflicht Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit herzustellen", meint Axel Kruschat, Geschäftsführer des BUND Brandenburg.

Einer BUND-eigenen Auswertung für das 2. Halbjahr 2014 zufolge haben besonders in Elbe-Elster, Prignitz und Märkisch-Oderland viele Betriebe überdurchschnittlich Antibiotika eingesetzt; in MOL sogar fast jeder zweite Betrieb. Besonders alarmierend: Bei 461 Liter und 54 Kilogramm der im Landkreis eingesetzten Mittel handelte es sich um sogenannte Reserveantibiotika, welche der Humanmedizin vorbehalten sein sollten. Bundesweit sinkt die Gesamtmenge der abgegebenen Antibiotika in der Tiermedizin, jedoch steigt der Einsatz von Reserveantibiotika seit Jahren.

"Der größte Anteil der verabreichten Reserveantibiotika in Märkisch-Oderland wurde in das Trinkwasser von Geflügel gegeben - also vermutlich nicht einzelnen kranken Tieren, sondern vorsorglich einer größeren Gruppe von Tieren. Hier sollten die Alarmglocken schrillen, denn bei einer solch breiten Anwendung erhöht sich die Gefahr von Resistenzbildungen. Dabei sind diese Mittel die letzte Rettung für Menschen bei sogenannten multiresistenten Keimen, bei denen viele herkömmliche Antibiotika schon nicht mehr wirken. Die Regierung, allen voran der neue Verbraucherschutzminister Ludwig, muss sich dem Thema Reserveantibiotika in der Tierhaltung endlich ernsthaft annehmen. Der im Volksbegehren gegen Massentierhaltung vereinbarte Landestierschutzplan sieht das bereits ausdrücklich vor ", so Axel Kruschat.

In Deutschland werden in der Tierhaltung jährlich noch immer über 1200 Tonnen Antibiotika eingesetzt, doppelt so viel wie in der Humanmedizin. Der BUND hat 2012 und 2015 in Tests nachgewiesen, dass Hähnchen- sowie Putenfleisch aus Discountern und Supermärkten häufig mit antibiotikaresistenten Bakterien belastet ist. Schätzungsweise 10 000 bis 15 000 Menschen sterben jährlich in Deutschland an Infektionen mit solchen Keimen. In Brandenburg werden jährlich rund 150 Infektionen mit multiresistenten MRSA-Keimen nachgewiesen.

Der BUND fordert konkrete Reduktionsziele für Antibiotika und grundsätzliches Verbot von Reserveantibiotika in der Tierhaltung. Die Antibiotikagabe muss zudem lückenlos dokumentiert und eine Einzeltierbehandlung bei Krankheiten durchgesetzt werden. Die nach dem Arzneimittelgesetz erhobenen Informationen müssen der Öffentlichkeit landkreisgenau zugänglich gemacht werden. Die Mindeststandards für die Tierhaltung und -zucht sind darüber hinaus so zu verbessern, dass Antibiotika entbehrlich sind.  

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