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Wird Müll die neue Kohle?

17. November 2021 | BUNDzeit, Kohle

In Brandenburg gibt es Pläne zum Ausbau der Müllverbrennung. Das widerspricht den politischen Zielen zur Müllvermeidung und leistet dem Klimaschutz einen Bärendienst. Auch Berlin will noch viele Jahre Abfälle zum Heizen verbrennen. Und rechnet sich die Sache schön.

Cottbus braucht keine Müllverbrennung für seine Fernwärme.  (Stefan Fussan / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0)

Jänschwalde bei Cottbus ist vor allem für das gleichnamige, auf dem Boden der Nachbargemeinde Teichland liegende Braunkohlekraftwerk bekannt. Neben dem Kraftwerk, dessen letzter Block spätestens Ende 2028 vom Netz gehen wird, planen der Kohlekraftwerksbetreiber Leag und der Müllkonzern Veolia eine Müllverbrennungsanlage (MVA), die nach ihren Vorstellungen 2025 in Betrieb gehen soll. Auf die Menschen in Jänschwalde und Umgebung kommt nach über vier Jahrzehnten neben einem der größten und schmutzigsten Braunkohlekraftwerke Europas eine neue Quelle von möglicherweise gesundheitsschädigenden Abgasen hinzu, drei Jahre lang sogar im Parallelbetrieb mit dem alten Kraftwerk. Gegenwärtig läuft das Anhörungsverfahren, voraussichtlich Anfang 2022 wird das Landesamt für Umwelt über den Antrag von Leag und Veolia entscheiden. Sollte es die MVA in Jänschwalde genehmigen, wird der BUND eine Klage dagegen prüfen.

Wozu eigentlich Müll verbrennen? Im Fall Jänschwalde ist die Motivlage klar: Weil man damit Geld verdienen kann. In Berlin ist die Situation komplizierter. Im Sommer 2021 hat Rot-Rot- Grün im neuen Energiewendegesetz beschlossen, dass ab 2030 „mindestens 40 Prozent der in den […] Wärmeversorgungsnetzen transportierten Wärme aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme stammen.“ Diese unscheinbare Formulierung leitet nichts Geringeres als eine Forcierung und Grünwaschung der Müllverbrennung ein und passt hervorragend zur Geschäftspolitik des Fernwärme-Monopolisten Vattenfall. Vattenfall-Wärme-Chefin Tanja Wielgoß, die bis vor wenigen Jahren der BSR vorstand, machte kürzlich deutlich, ihr Unternehmen rechne künftig mit mehr von der BSR gelieferter Abwärme, um die Fernwärme zu dekarbonisieren. Abwärme produziert die BSR in erster Linie in ihrer Müllverbrennungslage in Ruhleben; um mehr Abwärme zu liefern, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder die Anlage modernisieren, was auch geplant ist, oder dort mehr Müll verbrennen.

Müll ist kein nachwachsender Rohstoff

Die Vattenfall-Machbarkeitsstudie zur Dekarbonisierung der Fernwärme und das im August 2021 beschlossene Berliner Energiewendegesetz werten Müllverbrennung als klimaneutrale Energieerzeugung. Das ist jedoch falsch. Richtig ist: Abfall ist ein fossiler Brennstoff, weil ein nicht unerheblicher Teil des Restmülls aus erdölbasierten Kunststoffprodukten besteht. Eine CO2-neutrale Energieerzeugung durch Restmüllverbrennung ist physikalisch schlicht unmöglich. Daher bilanzieren unabhängige und anerkannte Berechnungsmethoden, wie sie etwa das Umweltbundesamt oder die Länderarbeitsgemeinschaft Energiebilanzen nutzen, die Energie aus Müllverbrennung bestenfalls zu 50 Prozent als klimaneutral.

Selbstverständlich ist die Abwärme aus Müllverbrennung nicht unvermeidlich, denn dass größere Mengen Restmüll verbrannt werden, ist kein Naturgesetz, sondern eine politische Entscheidung. Folgt man konsequent der im Abfallrecht fixierten Priorität von Vermeidung, Wiederverwendung und Recycling, bleibt nur ein kleiner Teil der aktuell noch verfeuerten Abfälle zur Verbrennung übrig. Mehr Müllverbrennung zum Zweck der Energiegewinnung widerspricht dem Ziel, Abfall erst gar nicht entstehen zu lassen.
Auch im Fall Jänschwalde diente die Fernwärme lange zur Rechtfertigung der Müllverbrennungspläne. Inzwischen aber ist der Umbau der Fernwärme in Cottbus in vollem Gang, sie kommt künftig von einem Gaskraftwerk, das sich gerade im Bau befindet. Daher bezeichnet Veolia seine mit Leag geplante MVA auch nur noch als Back-up für das Cottbusser Gasheizkraftwerk. Eine MVA in Jänschwalde würde also 600.000 Tonnen CO2 in die Luft pusten, ohne dass die Wärme genutzt wird. Dieser CO2-Ausstoß könnte die Brandenburger Steuerzahler*innen teuer zu stehen kommen – wenn sich die MVA-Betreiber Entschädigungszahlungen für den Fall erstreiten, dass ihre Anlage stillgelegt werden muss, um die Klimaziele des Landes zu erreichen.

Mehr zu den MVA-Plänen in Jänschwalde: www.aktionsbuendnis-contra-mva.de
Mehr zu Müll und Fernwärme in Berlin auf dem BUND-Blog

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 21-4. Mehr zum Schwerpunktthema Abfall und Ressourcen:

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