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„Die Verbraucher*innen sollen selbst entscheiden können, ob sie reparieren“

14. November 2021 | BUNDzeit

Katrin Meyer vom Runden Tisch Reparatur über teure Ersatzteile und gute Beispiele aus den Nachbarstaaten

Katrin Meyer koordiniert seit 2019 die Aktivitäten des Runden Tisch Reparatur e. V. (RTR). Der RTR vereint Handwerksbetriebe, Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen, ehrenamtliche Reparaturinitiativen und wissenschaftliche Einrichtungen, die sich für eine Förderung der Reparatur und eine neue Reparaturkultur in Deutschland und Europa engagieren. Katrin Meyer arbeitet außerdem im Team der EU-Koordination des Deutschen Naturschutzrings. www.runder-tisch-reparatur.de

BUNDzeit: Der Volksmund sagt: Billig kaufen bedeutet zweimal kaufen. Ändert sich das mit der überarbeiteten EU-Ökodesign-Richtlinie?

Katrin Meyer: Im besten Fall ja. Aber erst dann, wenn alle Geräte reparierbar sind. Die seit März geltenden Bestimmungen zur Reparierbarkeit erfassen momentan nur fünf Produktgruppen: Waschmaschinen, Trockner, Kühlschränke, Geschirrspüler und Displays einschließlich Fernseher. Ökodesign-Anforderungen für weitere Elektronikprodukte wie etwa Smartphones kommen später; gerade läuft die Diskussion, wie fortschrittlich sie sein dürfen. Insofern sind die jetzt geltenden Regeln nur der erste Schritt. Sie legen für neu auf den Markt gekommene Produkte fest, dass Reparaturen mit herkömmlichem Werkzeug möglich sein und die Hersteller Ersatzteile liefern müssen. Und zwar auch sieben bis zehn Jahre, nachdem das letzte Modell verkauft wurde. Erstmals müssen nichtsicherheitsrelevante Ersatzteile, etwa der Besteckkorb in der Spülmaschine, auch Verbraucher*innen zur Verfügung gestellt werden. Auf die wichtigsten Teile haben aber nur professionelle Werkstätten Anspruch. Wir als Runder Tisch Reparatur fordern, dass Ersatzteile allen zur Verfügung stehen. Damit alle, die reparieren wollen, reparieren können – und nicht den Umweg über professionelle Werkstätten gehen müssen.

Bislang scheitern auch Profis an bestimmten Reparaturen, weil die Hersteller Ersatzteile nur an Vertragswerkstätten liefern.

Das wird nach der Ökodesign-Richtlinie nicht mehr möglich sein. Jede Werkstatt hat einen Anspruch auf Ersatzteile, wenn sie die Kriterien Kompetenz und Haftpflichtversicherung erfüllt. Ersatzteilansprüche haben somit alle professionellen Reparierer*innen und aus unserer Sicht natürlich auch die Repair-Cafés.

Warum ist Reparieren lassen überhaupt so teuer? Liegt es nur an der Arbeitszeit?

Oft liegt es an teuren Ersatzteilen. Besonders ausgeprägt ist das bei Smartphones, wo der Hersteller die Preise festlegt. Und dann der Aufwand: Viele Geräte sind so gestaltet, dass das Reparieren aufwendiger ist als noch vor ein paar Jahren, wenn zum Beispiel Software mit drinhängt. Das ist bei professionellen Werkstätten häufig ein Grund, Reparaturen nicht durchzuführen oder erst gar nicht anzubieten, weil die Leute sich für diesen Preis lieber ein neues Gerät kaufen.

Wie werden Ersatzteile günstiger?

Ein Weg könnte ein Reparaturindex sein, wie ihn Frankreich Anfang 2021 zunächst für ein paar Produktgruppen eingeführt hat. Er bewertet die Produkte nach ihrer Reparierbarkeit und dem Preis der Ersatzteile. Wenn die im Verhältnis zum Neupreis zu teuer sind, gibt es eine schlechte Note.

Sagt die Ökodesign-Richtlinie etwas zum Preis der Ersatzteile?

Leider nicht. Eine weitere Schwachstelle ist die Möglichkeit für Hersteller, manche Ersatzteile nur im Paket anzubieten. Wenn es zum Beispiel das Lager einer Waschmaschine nicht einzeln, sondern nur mit der Trommel verschweißt gibt, macht das die Reparatur teuer, weil man unnötige Komponenten kaufen muss und einen größeren Austauschaufwand hat. Manche Hersteller verkaufen aber grundsätzlich alles an alle. Das würden wir gern viel häufiger sehen. Bei den Smartphones wird die Software wichtig werden; wie lange werden Hersteller Updates liefern müssen? Fehlende Updates sind oft der Grund, warum Smartphones nicht weitergenutzt werden.

Was können Regierungen auf nationaler und regionaler Ebene für mehr Reparieren tun?

Sie können die Mehrwertsteuer auf Reparaturen senken. Schweden tut das schon. In Österreich gibt es wie seit kurzem auch in Thüringen den Reparaturbonus, also einen Gutschein für die Hälfte der Reparaturkosten. Das kommt sehr gut an, offensichtlich sind die Kosten ein wesentlicher Faktor. So eine Subvention ist keine Dauerlösung, aber bis wir so weit sind, dass Reparaturen günstiger werden, hilft es beim Gang in die Werkstatt. Grundsätzlich kann man den Reparaturmarkt fördern, aber auch das Bewusstsein der Verbraucher*innen schärfen und Informationen bereitstellen: Was genau ist kaputt und wer repariert mir das? In Österreich erfahren die Verbraucher*innen über ein Reparaturnetzwerk, wer ihre Sachen reparieren kann.

Wie wäre Reparaturunterricht in der Schule?

Sehr wichtig. Wir werden in den nächsten Jahren ein gewaltiges Nachwuchsproblem im Handwerk und speziell beim Reparieren bekommen. Viele junge Leute interessieren sich nicht für das Reparieren, weil sie kaum Berührungspunkte damit haben.

Helfen auch so einfache Sachen wie Räume für Reparaturinitiativen?

Absolut. Die ehrenamtlichen Initiativen könnten einiges an Hilfe gebrauchen: Räume, Werkzeug, organisatorische Hilfe, Werbung – wobei es den Repair-Cafés oft nicht an Nachfrage, sondern eher an Reparierenden fehlt. Auch Austausch und Kooperation zwischen Initiativen und professionellen Werkstätten könnten gefördert werden, weil die ja ganz unterschiedliche Zielgruppen haben. In manchen Fällen lohnt sich die kommerzielle Reparatur nicht mehr, der Gang ins Repair-Café aber schon. Und andersrum sind manche Reparaturen für Initiativen zu kompliziert, sodass sie eine Werkstatt empfehlen.

Ist die gesetzliche Gewährleistung von zwei Jahren zu kurz? Eine längere Dauer könnte den Herstellern eine langlebigere Bauart der Geräte schmackhaft machen.

Diese Idee klingt logisch, ist aber nicht unproblematisch. Bei einer längeren Gewährleistung bleibt die Macht über das Reparieren beim Handel – der muss die Gewährleistung übernehmen – und bei den Herstellern; sie bestimmen, ob, wie und von wem repariert wird. Besser wäre es, wenn preiswerte Ersatzteile und verlässliche Informationen zur Verfügung stehen. Dann können die Verbraucher*innen unter Abwägung möglicher Risiken entscheiden, ob sie selbst reparieren können und wollen oder wer das übernehmen soll.

Müssen wir uns einfach daran gewöhnen, dass Geräte kaputtgehen?

Der Schadensfall ist normal im Lebenszyklus eines Produkts. Und Reparaturen können die Nutzungsdauer eines Geräts um das Vielfaches dessen verlängern, wovon die Hersteller erst einmal ausgehen. Die Idee für eine Art Mindesthaltbarkeitsdatum – beispielsweise zu sagen, dieser Staubsauger hält mindestens sieben Jahre – sehen wir kritisch, denn die Verbraucher*innen könnten dieses Datum als den Zeitpunkt missverstehen, ab dem das Gerät seinen Dienst getan hat und ausgewechselt werden darf – obwohl es weiterhin funktioniert.

Das Interview führte Sebastian Petrich. Es erschien in der BUNDzeit 21-4. Mehr zum Schwerpunktthema Abfall und Ressourcen:

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