Biber, Foto: Bernd Bosslet

Biberabschuss während des Oder-Hochwassers in Brandenburg 2024

Wir gehen davon aus, dass die Bibertötungen nicht gesetzeskonform waren und fordern im Hinblick auf künftige Hochwasser die unverzügliche Umsetzung zumutbarer non-letaler Alternativen zur Tötung gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG der streng geschützten Biber. Verfasser: Dr. Martin Steverding, Dipl. Biologe, Rechtsanwalt Tim Stähle Stand:17.03.2025

Anzahl der Biberabschüsse

Während des Hochwassers an der Oder in Brandenburg im September 2024 sind laut dem Ergebnis der Akteneinsicht des BUND Brandenburg und des Wildtierschutz Deutschland 151 Biber getötet worden.

Landkreis Tötungen Bemerkung
Märkisch Oderland 106  
Oder-Spree 32 78 Nutria getötet
Uckermark 8  
Frankfurt/ Oder 5  
Barnim 0  
Summe 151  

Als Grund wurde die Gefahr angegeben, dass die bei Hochwasser auf den Deichen Schutz suchenden Biber diese durch Graben von Höhlen bzw. Bauen hätten gefährden können. Die Tötungen erfolgten, ohne dass bei Deichanlagen schon substanzielle Schäden eingetreten wären. Die Tötungen waren somit präventiv.

Gefahren durch Hochwasser-Zufluchtsbaue

Konflikte mit Bibervorkommen entstehen vor allem durch Wasseraufstauung infolge von Biberdämmen und durch Wühltätigkeit in Uferböschungen und Deichen.

Reichen die Wohngewässer bis an Deiche heran, können Biber dort ihre Baue anlegen und damit die Standfestigkeit und Dichtigkeit der Deiche gefährden (2). Gefahr besteht nur dann, wenn das Wasser bis an den Deich heranreicht.

Werden bei Hochwasser die Baue oder Burgen überschwemmt, suchen die Biber Schutz an erhöhten Stellen. In natürlichen Flusslandschaften sind dies die Hochufer bzw. Terrassen- und Auenkanten. Im dicht besiedelten Deutschland, mit seinen fast immer mehr oder weniger verbauten Flüssen, sind dagegen oft die Deiche die einzigen verfügbaren, ausreichend hohen Zufluchtsorte. Bei länger anhaltendem Hochwasser können Biber dort Ersatzbaue anlegen und dadurch Deiche beschädigen.

In den Niederlanden ist das Graben von Hochwasser-Zufluchtsbauen oder Notbauen von Bibern an wenigen Orten nachgewiesen, dort entstanden punktuell erhebliche Schäden am Deich (3, 4). Die Baue zeigten beachtliche Ausmaße, so dass eine Gefahr für die Standsicherheit der Deiche dort durchaus gegeben war. An der Waal in den Niederlanden wurden 2022 erstmals Biber aufgrund der Deichschäden entnommen (getötet) (6).

Das Graben von Notbauen bei Hochwasser kommt aber sehr selten vor. In einer Broschüre des Biosphärenreservates Mittelelbe ist von Einzelfällen die Rede, in denen Biber bei Hochwasser Röhren in Deiche gegraben haben (7). Während des Sommerhochwassers von 2002 konnten im Biosphärenreservat Mittelelbe keine Fälle einer Gefährdung der Deiche durch Grabetätigkeit von Bibern festgestellt werden. Die Biber hatten lediglich Sassen (oberirdische Sitzmulden) angelegt. Allerdings gab es während des Winterhochwassers 2002/2003 Eingrabungen von Bibern in Deiche. Minustemperaturen zwangen sie offensichtlich zur Anlage von Notbauen (10).

Die Anlage von Bauen als Hochwasserzuflucht kann für Biber nur bei langanhaltenden Hochwassern Sinn machen. In der Regel sind Hochwasser von schnell und stark schwankenden Wasserständen geprägt, weshalb die Anlage eines Baus mit unter Wasser liegendem Eingang und über Wasser liegenden Kesseln erschwert ist. Den großen Energieaufwand der Bauanlage dürften Biber daher nur dann investieren, wenn Wasserstände über einen längeren Zeitraum relativ konstant sind.

Rechtliche Einstufung der Bibertötungen

Der Biber ist durch die Auflistung im Anhang IV der FFH-Richtlinie der EU besonders und streng geschützt und genießt damit den höchsten möglichen Schutzstatus. Trotzdem wurden 151 Biber an der Oder in Brandenburg mit behördlicher Genehmigung entnommen, was nichts anderes heißt als getötet. Betroffen waren insbesondere Naturschutzgebiete und Europäische Schutzgebiete (FFH-Gebiete), aber auch der Nationalpark „Unteres Odertal“. In den Schutzgebieten ist der Biber nicht nur über das Artenschutzrecht, sondern zugleich über das Schutzgebietsrecht geschützt.

Gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG sind Ausnahmen von den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten des
§ 44 BNatSchG dann zulässig, wenn die folgenden drei Ausnahmevoraussetzungen alle zutreffen:

  • wenn keine zumutbaren Alternativen möglich sind und
  • wenn der Erhaltungszustand der lokalen Population der betroffenen Art sich nicht verschlechtert und
  • wenn Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses vorliegen.

Eine Ausnahmegenehmigung kann auf der genannten Grundlage durch die zuständige Untere Naturschutzbehörde erteilt werden. In Natura-2000-Gebieten ist zusätzlich eine FFH-Verträglichkeitsprüfung erforderlich, wenn der Biber als Schutzziel genannt ist.

Dabei haben die Landesregierungen gemäß § 45 Abs. 7 S. 4 Bundesnaturschutzgesetz die Möglichkeit durch Rechtsverordnung allgemein Ausnahmen vom Artenschutz zuzulassen. Das Land Brandenburg hat von dieser Möglichkeit mit der Brandenburgischen Biberverordnung (nachfolgend: BbgBiberV) Gebrauch gemacht.

Die BbgBiberV sieht konkrete Anforderungen an den Abschuss von Bibern vor. Nach der BbgBiberV sind nicht einmal Vergrämungsmaßnahmen des Bibers notwendig, soweit es um Tötungsmaßnahmen an Hochwasserschutzanlagen geht. Hierunter fallen die Deiche einschließlich der zugehörigen wasserbaulichen Anlagen.

Zu Recht nimmt die Verordnung gemäß § 1 Abs. 4 S. 1 BbgBiberV die Naturschutzgebiete und die Europäischen Schutzgebiete (FFH-Gebiete) von der Anwendung aus. Denn in diesen Gebieten gelten über das Artenschutzrecht hinaus weitergehende naturschutzrechtliche Anforderungen. Für diese Gebiete gilt die BbgBiberV und damit die Möglichkeit zum Abschuss von Bibern nur unter bestimmten, zusätzlichen Voraussetzungen.

Mit dieser Regelung spielt die Landesregierung den Ball an die unteren Naturschutzbehörden der Landkreise. Die Landkreise haben die Möglichkeit den Anwendungsbereich der BbgBiberV für die Schutzgebiete zu eröffnen.

So können die Landkreise auf Antrag für Naturschutzgebiete eine so genannte flächenschutzrechtliche Befreiung nach § 67 BNatSchG zu erteilen. Bei den Europäischen Schutzgebieten müssen die Landkreise positiv feststellen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des jeweiligen Gebiets bei Durchführung der Tötungsmaßnahmen ausgeschlossen ist.

Von dieser Möglichkeit haben im Zusammenhang mit dem Oder-Hochwasser im September 2024 u. a. der Landkreis Oder-Spree sowie die Kreisfreie Stadt Frankfurt (Oder) Gebrauch gemacht. Der Landkreis Uckermark hat hingegen mit einer eigenständigen artenschutzrechtlichen Ausnahme einen nicht nachvollziehbaren Sonderweg beschritten.

Der BUND Brandenburg hat die Bescheide rechtlich auswerten lassen, mit dem folgenden Ergebnis:

Die uns bekannten Bescheide der Landkreise leiden an mehreren Rechtsfehlern. Die auf ihrer Grundlage erfolgten Biberabschüsse in den Schutzgebieten waren rechtswidrig. Insbesondere ist es dem Landkreis Märkisch-Oderland, Oder-Spree und der Kreisfreien Stadt Frankfurt (Oder) nicht gelungen, den Anwendungsbereich der BbgBiberV mit den dort vorgesehenen Abschussmaßnahmen für die Schutzgebiete zu eröffnen. Darüber hinaus verstoßen alle Bescheide wegen unzureichender Prüfung gegen das Europäische Schutzgebietsrecht. Darüber hinaus wurden in Teilen das Schutzgebietsrecht der Naturschutzgebiete (Landkreis Oder-Spree) sowie des gesetzlichen Artenschutzrechts missachtet (Landkreis Uckermark) sowie das Regelungsverhältnis zur BbgBiberV missverstanden (Landkreis Uckermark).

Bezeichnend für den gesamten Vorgang ist die Begründung des Bescheids durch den Landkreis Uckermark: Der Landkreis Uckermark gesteht unumwunden ein, dass es an belastbaren Zahlen zur aktuellen Populationsgröße des Bibers fehle. Auch eine Prognose der zu tötenden Tiere fehle. Ohne ausreichende Prüfung war es den Behörden nach dem Europäischen Schutzgebietsrecht jedoch verboten, Abschussmaßnahmen nach der BbgBiberV für die Schutzgebiete frei zu geben.

Bei sorgfältiger behördlicher Prüfung wären nach unserer Einschätzung deutlich weniger Biberabschüsse notwendig gewesen. Die Prüfung des Europäischen Schutzgebietsrechts war zudem unverzichtbar. Daran änderte entgegen den Behörden selbst die Dringlichkeit nichts.

Bei den unvollständigen Prüfungen hätten die Behörden u. a. berücksichtigen müssen:

  1. Zumutbare Alternativen sind möglich, wurden aber bislang nicht oder kaum umgesetzt: Es wurde mit offensichtlich wenigen Ausnahmen kein mechanischer Deichschutz (z. B. Metallgeflechte) eingesetzt und es wurden nach unserem Kenntnisstand keine Rettungshügel errichtet, wie sie an der Elbe seit mehr als 100 (!) Jahren Praxis sind. Dies ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, da das Problem „Wühltiere“ durch die Anwesenheit des Bisam und später der Nutria schon weit vor der Rückkehr des Bibers bestand.
  2. Bei unbeschränkten Abschussmaßnahmen tritt eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes der lokalen Population ein: Die Population der in Brandenburg vorkommenden Unterart des Europäischen Bibers Castor fiber albicus (Elbebiber) zerfällt in verschiedene lokale Populationen, An der Oder leben ca. 1.000 Elbebiber. Eine Entnahme von ca. 110 Bibern würde einen Anteil von 10 bis 20 % der Lokalpopulation bedeuten und damit eine deutliche Verschlechterung des Erhaltungszustandes.

Die Tötung von 32 Bibern geht deutlich über die in der Begründung des Bescheids des Landkreises Oder-Spree genannte gegebenenfalls erforderliche Entnahme einzelner Tiere hinaus. Ein ähnlicher Sachverhalt ist auch im Landkreis Märkisch-Oderland der Fall, wo nach den vorliegenden Informationen 106 Biber getötet wurden. Der Landkreis hat allerdings unter Verstoß gegen das Umweltinformationsgesetz mit erheblicher Verspätung auf den Umweltinformationsantrag des BUND Brandenburg vom 01. Oktober 2024 reagiert. Auch eine anwaltliche Fristsetzung zum 18.12.2024 blieb ohne Antwort. Erst intensives Nachfragen führte zur Herausgabe der tatsächlichen Abschusszahlen.

Weiterhin stellt sich die Frage, ob und wie bei einem nachtaktiven und damit schwer zu bejagenden Tier gewährleistet wurde, dass keine unselbständigen Jungtiere (Biber im Alter von weniger als zwei Jahren) zurückgeblieben sind.

Die Bibertötungen im Rahmen des Hochwassers im September/Oktober 2024 an der Oder sind somit rechtlich zu beanstanden und es sind unverzüglich die genannten Präventivmaßnahmen umzusetzen, um künftig Gefahren durch Hochwasser-Zufluchtsbaue von Bibern zu unterbinden.

Wir erwarten darüber hinaus genaue Berichterstattung über den Ablauf der Tötungen, die jeweilige Anzahl der getöteten Biber, die Örtlichkeit, das jeweilige Alter der Tiere (adult, vorjährig oder diesjährig), so wie es die Brandenburgische Biberverordnung (BbgBiberV) vorsieht.

Nicht-letale Gefahrenabwehr

Vergrämung

Vergrämungsversuche allein haben bisher nicht zum Abwandern oder zum dauerhaften Fernhalten von Bibern geführt, so dass Vergrämung nur in Kombination mit anderen Maßnahmen ein geeignetes Mittel ist (1). Vergrämung vom Deich kann in Kombination mit der Anlage von Rettungshügeln (s. u.) zielführend sein.

Mechanischer Schutz von Deichen

Bestehende Deiche können gegen das Eingraben von Bibern (und anderen Tieren) am effizientesten durch das Auflegen von Metallgittern bzw. Metallnetzen geschützt werden. Bei Neubau oder Sanierung von Deichen sollte ein Grabeschutz Standard sein (1). Verwendet werden können verschiedene Materialien, z. B. Wellengitter oder Steinschlag-Schutznetze (1).

Die Schweizer Herstellerfirma Geobrugg testete verschiedene Stahlgeflechte aus eigener Produktion auf Verbissfestigkeit, Korrosionsverhalten und die richtige Maschenweite (9). Als praktikabel erwiesen sich Geflechte aus rostfreiem Edelstahl (unverzinkt) mit einer Maschenweite von etwa 45 mm.

Im Schreiben des LfU (Landesamt für Umwelt) Brandenburg vom 17.10.2024 (nach dem Hochwasser) an die UNB des Landkreises Oder-Spree, in dem die Erforderlichkeit der Biberentnahme betont wird, heißt es, dass die Deiche „nur in sehr seltenen Fällen mit einem Schutz vor Wühltieren (Bibergitter) ausgestattet sind.“ (12).

Rettungshügel

Bei Hochwasser besteht nicht nur Gefahr durch, sondern auch für Biber. Da die Flussauen in der dicht besiedelten Landschaft Mitteleuropas meistens durch Deiche und/oder Straßen begrenzt werden, können geeignete Hochwasser-Zufluchtsorte durchaus limitierender Faktor für das Vorkommen des Bibers sein.

Wenn Biber bei Hochwasser über alternative Zufluchtsorte verfügen, ist die Gefahr des Eingrabens in Hochwasserschutzdeiche vermindert. An der Elbe werden bereits seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erfolgreich Biber-Rettungshügel angelegt (8, 10). Welche Anforderungen diese erfüllen müssen, ist u. a. in Schumacher et al. (2012) (8) zu lesen.

Quellen

  1. Schwab, G. (2014): Handbuch für den Biberberater. Bund Naturschutz in Bayern e. V.
  2. https://www.ardmediathek.de/video/ndr-info/hochwasserschutz-biber-werden-aus-deichen-vertrieben/ndr/Y3JpZDovL25kci5kZS82MzMwNDQ0Yy01ZGZkLTRlNDAtYTEwMy0zNmYwMDdmNDdjYTU
  3. https://www.waterschaprivierenland.nl/bevers-blijven-grootste-risico-voor-dijken-rivierengebied
  4. https://nos.nl/artikel/2496254-veel-schade-aan-dijken-brabant-en-gelderland-door-bevers
  5. https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-biber-daemme-nautrschuetzer-1.5804394
  6. https://nos.nl/artikel/2449301-eerste-bevers-afgeschoten-in-gelderland
  7. Biosphärenreservat Mittelelbe: Biber und Deichschutz
  8. Schumacher, A., P. Ibe & K.-H. Jährling (2012): Informationen zu Biber- und Wildrettungshügeln in den rezenten Flussauen. Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe, Referenzstelle für Biberschutz Sachsen-Anhalt und Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt.
  9. Kramer, M. (2023): Wildtierschutz in Dämmen, Zusammenfassung der Berichte zur Bissfestigkeit, zum Korrosionsverhalten im Boden und zur Maschenweite von Stahldrahtgeflecht. Geobrugg AG
  10. Nitsche, K.-A. (2003): Biber (Castor fiber L.) und Hochwasser: Verhalten, Maßnahmen für den Biberschutz und Hochwasserschutz.
  11. E-Mail des Landesamtes für Umwelt Brandenburg an die UNB des Landkreises Oder-Spree vom 17.10.2024 (Akteneinsicht durch den BUND Brandenburg)
  12. Naturschutzrechtliche Entscheidung zum Antrag auf Ausnahmegenehmigung zur Entnahme von Bibern während der Hochwasserlage Warnstufe III und IV im Bereich der wasserseitigen Deiche an Oder und Neiße im Landkreis Oder-Spree vom 23.09.2024 (Akteneinsicht durch den BUND Brandenburg)

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