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„Wir befinden uns im Kippmodus“

12. August 2022 | BUNDzeit, Flüsse & Gewässer, Wasser

Irina Engelhardt, Professorin für Hydrogeologie an der TU Berlin, über Bergbaufolgen, sandige Böden und intelligenten Umgang mit Abwasser

Irina Engelhardt studierte Geologie und promovierte in Hydrogeologie an der Universität Tübingen. Nach fünf Jahren im Consulting war sie acht Jahre als Wissenschaftlerin an der TU Darmstadt und am Forschungszentrum Jülich tätig. 2015 folgte sie dem Ruf der TU Freiberg auf eine Professur für Hydrogeologie und wechselte 2017 an die TU Berlin. Sie koordiniert das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt SpreeWasser:N. (www.spreewasser-n.de)

BUNDzeit: Wenn von Wasserstress in Brandenburg die Rede ist, dient oft der Straussee als Beispiel, dessen Pegel in den letzten Jahren sichtbar zurückgegangen ist. Gehört er zu den am stärksten betroffenen Gewässern?

Irina Engelhardt: Es ist dort natürlich keine gute Situation, aber mir macht der Spreewald ebenfalls große Sorgen. Dort geht es um eine sehr große Fläche, die schwer zu managen ist. Der Spreewald ist eigentlich ein grundwassergespeistes Niedermoor, hängt aber an der Spree. Aktuell liegt der Zufluss der Spree bergbaubedingt noch bei acht Kubikmeter pro Sekunde, Anfang des 20. Jahrhunderts war es ohne Sümpfungswasser aus den Tagebauen halb so viel. Wie sich dieses hundert Jahre lang von Menschen gesteuerte System künftig entwickelt, ist völlig unklar. Es gibt Bilder aus der Zeit um 1900, auf denen der Spreewald in vielen Fließen trocken ist. Wir befürchten, dass die Situation künftig aufgrund des Klimawandels noch schlimmer wird. Deshalb gibt es Forderungen, die Pumpen in den Gruben über das Ende der Braunkohleförderung hinaus laufen zu lassen.

Und gleichzeitig sollen Tagebaue geflutet werden, wie jetzt der Ostsee bei Cottbus. Wo soll dieses Wasser herkommen?

Ich halte die Flutung für keine gute Idee. Es gibt bessere Möglichkeiten, Tagebaue zu rekultivieren, etwa mit Vegetation. Es wäre das Mindeste gewesen, den Ostsee als Wasserspeicher und nicht als Freizeitsee zu planen. Ich gehe davon aus, dass unser wertvolles Grundwasser dort verdunstet und sich irgendwo anders dann wieder abregnet.

Was tun gegen den Wassermangel?

Grundsätzlich können wir das Wasserdargebot erhöhen oder den Bedarf reduzieren. Wassersparen im Haushalt ist immer gut, aber damit werden wir das Problem nicht vollständig in den Griff bekommen. Nur mit effizienten Toilettenspülungen oder Geschirrspülern kommen wir nicht weit. So großskalig, wie das Trockenheitsproblem ist, müssten wir schon Landwirtschaft und industrielle Aktivitäten komplett einstellen. Wenn wir das Dargebot erhöhen wollen, müssen wir Wasser aus Regionen importieren, die mehr haben. Da fallen einem zunächst Oder und Elbe ein. Aber wenn wir auf Brandenburger Höhe Elbwasser ableiten, liegt unterstrom mit Sachsen- Anhalt eine Region, die ebenfalls Wasserprobleme hat. Weiter oben bei Dresden ist die Elbe im Überschuss, dort könnte man Hochwässer einfangen, abspeichern und später nutzen. Auch die Oder käme infrage, allerdings hat auch sie immer wieder Niedrigwasserphasen und außerdem hohe Sulfatgehalte aus dem polnischen Kohlebergbau.

Das klingt schwierig.

Die von der Wissenschaft bevorzugte, politisch aber noch nicht gewollte Option ist die Abwassernutzung. Wir haben derzeit die sehr unglückliche Situation, dass das geklärte Abwasser über die Flüsse schnell ins Meer geht. Man müsste die Abwasserreinigung durch eine vierte Reinigungsstufe ergänzen, wo mit einer Ozonierung Arzneimittelrückstände herausgeholt werden. Die gereinigten Abwässer kann man in den Grundwasserleiter oder in die oberflächennahen Bereiche einbringen und weiter unterstrom wieder entnehmen und für Landwirtschaft und Industrie nutzen. Das hätte den Vorteil, dass wir das normale Grundwasser durch eine Ressource substituieren, die ansonsten ungenutzt den Bach runtergeht. Der Boden verfügt über Reinigungskräfte, die wir stimulieren könnten, Methoden, wie wir sie seit über 25 Jahren aus der Altlastensanierung kennen. Bislang wird Wasserrecycling aber nur im kleinen Maßstab vorgenommen, etwa auf den Rieselfeldern in Hobrechtsfelde, wo Abwässer den Wasserhaushalt in der Landschaft stabilisieren, was sehr positive Effekte hat. Abwassernutzung für die Landwirtschaft wird nur bei einem einzigen Projekt in Braunschweig erprobt.

In Brandenburg verbraucht die Landwirtschaft derzeit nur ein bis zwei Prozent des geförderten Wassers.

Das sind Zahlen des statistischen Landesamts, die ich bezweifle. Wir versuchen gerade, im Einzugsbereich der Unteren Spree die Wasserentnahme zu quantifizieren. Die landwirtschaftliche Wasserentnahme ist nirgendwo verzeichnet. Auch die Wasserverbräuche der Industrie sind nicht bekannt.

Woran liegt es, dass Berlin-Brandenburg zusammen mit Sachsen-Anhalt die trockenste Region Deutschlands ist?

Wir haben durch das kontinentale Klima wenig Niederschlag, das bringen die Ostlage und die flache Topografie mit sich. Außerdem verdunsten Niederschläge auf den sandigen Böden schnell. Abseits des Urstromtals sind die Böden sehr wenig durchlässig, auf der Hochfläche mit der tonhaltigen Erde fließt das Wasser oberirdisch weg. Und in der Vegetation dominiert die Kiefer, die mit ihrer ganzjährigen Transpiration ungünstig für den Wasserhaushalt ist.

Wie kann man das Wasser besser in der Landschaft halten?

Durch unterirdische Speicherung. Hier in der Region haben wir einen Stockwerksbau beim Grundwasser mit drei Grundwasserschichten: Trinkwasser wird aus der zweiten Schicht gefördert, die unterste Schicht ist salzig. Klug wäre es, in diesen zweiten Grundwasserleiter den Überschuss aus Herbst und Winter einzuspeisen, statt ihn mit der Hochwasserwelle wegrauschen zu lassen, gegebenenfalls könnte auch geklärtes Abwasser dazu. Wenn ich es ganz intelligent mache, lasse ich im Sommer sogar eine gewisse Überförderung zu und schaffe dadurch Freiräume, die ich im Herbst und Winter wieder auffülle.

Werden wir angesichts der globalen Erhitzung in 20 Jahren Verhältnisse wie heute Spanien oder Kalifornien haben?

Schwer zu sagen. Ich will aber davor warnen, diese Jahre zu verschlafen, so wie wir die Energiewende verschlafen haben. Wir waren immer ein wasserreiches Land, befinden uns aber im Kippmodus. Es bleiben noch einige Jahre, bevor der Wasserstress vermutlich richtig stark für alle bemerkbar wird. Wenn ein See austrocknet, sehen es die Leute beim Hunde ausführen. Wie es dem Grundwasser geht, sieht man nicht direkt. In Brandenburg gibt es Gebiete, in denen der Grundwasserspiegel um drei bis dreieinhalb Meter gefallen ist, das ist eine ziemliche Menge.

Wird man den Wassermangel über die Wassergebühren bemerken?

Ach, die sind so niedrig. Es wäre wünschenswert, wenn die mal anstiegen. Das integrierte Wasserressourcenmanagement, wie wir es nennen, will Technologie nutzen unter Berücksichtigung der verschiedenen Nutzer. Das heißt, dass man soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit berücksichtigt, aber nicht die ökonomische Entwicklung vernachlässigt. Wenn wir dagegen alles laufenlassen, regelt es sich dahingehend, dass es für manche Bereiche und Nutzer dann nicht mehr genug Wasser gibt.

Das Interview führte Sebastian Petrich. Es erschien in der BUNDzeit 22-3. Mehr zum Schwerpunktthema „Trockenheit“:

Noch nicht schwammig genug: Was wir in Berlin und Brandenburg tun müssen, um Wasser in der Landschaft zu halten
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