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Schluss mit giftig!

31. Juli 2019 | BUNDzeit

Pestizide treiben eine hochindustrialisierte Land- und Forstwirtschaft an, die Insekten tötet und Artenvielfalt vernichtet. Eine Volksinitiative in Brandenburg will dies nun eindämmen.

Zumindest ein paar Insekten hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Mitte Mai noch retten können. Weil der NABU unterstützt vom BUND es beantragt hatte, stoppte das Gericht den Brandenburger Landesforstbetrieb, der gerade dabei war, bis zu 9.000 Hektar Kiefernwald in den Kreisen Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming mit einem Breitbandinsektizid von Hubschraubern aus zu besprühen. Das Mittel mit dem wohlklingenden Namen „Karate Forst flüssig“ richtet sich gegen die Raupen der drei Nachtfalterarten Nonne, Forleule und Kiefernspinner, die als Forstschädlinge eingestuft werden. Als unspezifisch wirkendes Kontaktgift tötet das Insektizid alle Insekten in den behandelten Bereichen. Damit fehlt Fledermäusen und Vögeln die Nahrungsgrundlage, insbesondere während der Aufzucht der Jungen. Es spricht sich offensichtlich nur langsam herum, dass Wälder mehr sind als Holzplantagen, sondern auch ein lebendiges Ökosystem, in dem selbstverständlich auch Insekten ihren Platz haben – und ihre Aufgaben: Aas beseitigen, Blüten bestäuben und sich von Vögeln, Amphibien und Kleinsäugern fressen zu lassen.

Diesen Aufgaben nachkommen können aber immer weniger Insekten. Selbst in Schutzgebieten ist die Zahl der Insekten stark zurückgegangen. Eine Untersuchung des renommierten Entomologischen Vereins Krefeld dokumentiert, dass sich in 63 Naturschutzgebieten in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Brandenburg die Biomasse von Fluginsekten in den Jahren 1989 bis 2016 um 76 Prozent verringerte. An der weitverbreiteten Einschätzung „Früher waren mehr Mücken auf der Windschutzscheibe“ ist also etwas dran.

Woran sterben die Insekten? Die Fachwelt ist sich einig, dass neben dem allgemeinen Verlust von Lebensräumen die Ursachen vor allem in der industrialisierten Land- und Forstwirtschaft zu finden sind: Monokulturen statt Strukturvielfalt, Überdüngung, weniger vielfältige Angebote von Blütenpflanzen – und Pestizide. Während Totalherbizide wie Monsantos Kassenschlager Glyphosat den Insekten mit den Ackerbegleitkräutern die Lebensgrundlage vernichtet, greifen Insektizide auch viele Insekten direkt an, die nicht als „Schädling“ gelten. So haben Neonikotinoide einen verheerenden Einfluss auf das Nist- und Reproduktionsverhalten von Hummeln und Wildbienen.

Volksgesetzgebung gegen Lobbyinteressen

Was zum Erhalt der Artenvielfalt in der Landwirtschaft getan werden muss, ist eigentlich seit Jahren klar: weniger Pestizide, weniger mineralischer Stickstoffdünger, weniger intensive Ackernutzung, mehr Strukturelemente wie Blühflächen und Hecken, breitere Gewässerrandstreifen – kurz: eine naturnahe Landwirtschaft. Doch die rot-rote Landesregierung in Potsdam versteht sich ebenso wie die schwarz-rote Bundesregierung im Zweifelsfall eher als Verbündete der industrialisierten Großagrarier und derjenigen, die sehr viel Geld mit Ackergiften verdienen. So ist seit 2013 zwar der Einsatz von drei als „Bienenkillern“ bekannten Neonikotinoiden verboten – aber nur bei Blühpflanzen. Andere für Bestäuber tödliche Insektizide bleiben erlaubt oder werden ebenso wie umstrittene Herbizide sogar neu zugelassen.

Gelegentlich sind die Interessen der Lobbyist*innen sogar stärker als Koalitionsabkommen: 2017 setzte der damalige CSU-Landwirtschaftsminister Schmidt trotz gegenteiliger Vereinbarung mit dem Koalitionspartner SPD die weitere Zulassung für Glyphosat in der EU durch. Das weltweit meistverkaufte Herbizid steht schon länger im Verdacht, bei Menschen Krebs zu verursachen. Neuere Studien legen zudem nahe, dass Glyphosat das Immunsystem von Bienen schwächt und obendrein weite Distanzen über die Luft transportiert wird. Letzteres gilt laut Zulassungsverfahren als unmöglich. Dies ist aber kein Einzelfall: Pestizide lassen sich fernab ihrer Einsatzgebiete auch in Städten und Naturschutzgebieten nachweisen.

Auf die derzeitigen Regierungen ist in dieser Sache also wenig Verlass. Deshalb hat der BUND in Brandenburg zusammen mit anderen Naturschutzverbänden die Volksinitiative „Artenvielfalt retten – Zukunft sichern“ gestartet. Wie beim erfolgreichen Volksbegehren „Rettet die Bienen“ in Bayern, das sich gegen CSU und Bauernverbände durchsetzen konnte, soll der Impuls für die nötigen Veränderungen durch die Volksgesetzgebung kommen. Damit die erste Stufe erfolgreich ist, sammelt das Bündnis noch mindestens bis zur Landtagswahl am 1. September Unterschriften zur Rettung der Artenvielfalt.

Mehr zur Volksinitiative unter www.artenvielfalt-brandenburg.de

Dieser Artikel erschien in den BUNDzeit 2019/03.

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