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Königliche Perspektiven

16. November 2022 | BUNDzeit, Naturerleben, Potsdam

Eine herbstliche Radtour am Havelufer mit Anreise über das Wasser

Wer in der Region Berlin-Brandenburg ein bisschen Venedig- Atmosphäre schnuppern möchte, muss zum Wannsee. Denn nur dort gibt es mit der Wannsee-Kladow-Fähre ein öffentliches Verkehrsmittel, das an die Vaporettos erinnert, die legendären venezianischen Wasserbusse. Doch während die Vaporettos im 10- oder 20-Minuten-Takt verkehren, fährt die F10 nur einmal pro Stunde und Richtung. Entsprechend voll kann es auf der touristisch interessanten Linie werden. Falls irgendwie möglich, empfiehlt es sich daher, den hier beschriebenen Ausflug unter der Woche zu unternehmen. Beschränkte Kapazitäten an Bord führen am Wannsee wie auch in der Lagunenstadt immer wieder zu Diskussionen über mögliche Alternativen. In Venedig scheiterte die städtische Verkehrsgesellschaft ACTV in den Nullerjahren glücklicherweise mit ihrer Idee, die Altstadt per U-Bahn (!) zu erschließen.

Um Kladow und Gatow mit der Avus zu verbinden, schlug ein Senatsbaudirektor in den Sechzigerjahren einen Autotunnel vor und die Spandauer CDU brachte noch im Jahr 2018 eine Straßenbrücke zwischen Havelchaussee und Hohengatow ins Spiel. Etwas mehr Charme hat die Idee des VCD einer Seilbahn zwischen Kladow und dem S-Bahnhof Wannsee. Seilbahnen brauchen nur wenig Fläche und im Betrieb nur wenig Energie; aus dem Stundentakt könnte so ein Minutentakt werden. Allerdings würden die Seile Landschaftsbild und Sichtachsen nicht unerheblich beeinträchtigen und bei starkem Wind müsste der Betrieb ruhen. Wahrscheinlich wäre es das Beste, der BVG eine zweite große Fähre zu spendieren, damit sie einen Halbstundentakt anbieten kann, optimalerweise mit Solarantrieb.

Kurz bevor wir mit der Fähre die Anlegestelle in Kladow erreichen, sehen wir backbord ein weiteres Argument gegen eine Seilbahn über die Havel: die zweieinhalb Hektar kleine Insel Imchen. Für Menschen ist dieses Naturschutzgebiet gesperrt, dafür nutzen Haubentaucher und Eisvogel sie als Rückzugsort. Ein Seilbahnmast auf oder direkt neben der Insel wäre sicher keine gute Idee. Auch den Graureihern und Kormoranen, die auf Imchen brüten, käme man mit der Gondel etwas zu nahe. Ab dem Kladower Hafen verläuft unsere Route in südwestlicher Richtung immer entlang des Havelufers.

Bald haben wir die erste botanische Attraktion erreicht: den Landhausgarten Dr. Max Fraenkel. Im Auftrag dieses Bankiers schuf der damalige Stadtgartendirektor Erwin Barth in den Zwanzigerjahren einen Rosen-, Obst- und Gemüsegarten samt Naturteich. Fraenkel musste während der Nazi-Herrschaft emigrieren, sein enteignetes Anwesen geriet nach Kriegsende in Landesbesitz und verwilderte zusehends. Erst seit 2016 ist der Garten wieder im Originalzustand und der Öffentlichkeit zugänglich (Freitag bis Sonntag, 10–18 Uhr).

Unmittelbar am Ortsausgang von Kladow passieren wir die Landesgrenze zwischen Berlin und Brandenburg, die fortan in der Havel verläuft. Bis 1989 lag der Uferweg auf DDR-Gebiet und im Todesstreifen. Unsere nächste Attraktion, die Heilandskirche am Port von Sacrow, oder genauer gesagt ihr Glockenturm, wurde sogar Teil der Mauer, als DDR-Grenzer den Campanile mit Betonplatten verstärkten. Das im Auftrag des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm IV. 1844 gebaute Kirchlein entstand an einem Ort, wo vormals Havelfischer ihre Boote festmachten. Heute prägen unzählige Freizeitkapitän*innen das Geschehen auf der Havel, die hier durch den Jungfernsee fließt. Nur selten tuckern Frachtschiffe vorbei – ein Beleg, wie richtig der BUND lag, als er in den Jahren nach der Wiedervereinigung gegen den überdimensionierten Ausbau der Havel mobilisierte.

Wir lassen die Kirche und den von Peter Lenné entworfenen Schlosspark Sacrow hinter uns, um dem bewaldeten Uferweg weiter zu folgen. Gute 400 Meter nach einer markanten Freifläche am Ufer biegen wir rechts ab und radeln ins Innere des Naturschutzgebiets „Sacrower See und Königswald“, in dem Eichengesellschaften die üblichen Kiefernforste auflockern. Nachdem wir die Straße nach Sacrow (sie heißt tatsächlich so) gekreuzt haben, folgen wir dem Zufahrtsweg zum Forsthaus Zedlitz, um alsbald den Sacrower See durch den Wald schimmern zu sehen. Gute 50 Meter vor dem Ortseingang von Groß Glienicke biegen wir rechts in den Krampnitzer Weg, um den Ausgangspunkt Kladow zu erreichen.

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2022-4.

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