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Gemischte Aussichten

28. Januar 2019 | BUNDzeit

In Berlin formuliert ein neues Abfallwirtschaftskonzept hehre Absichten, spart im ersten Entwurf aber an Verbindlichkeit. In Brandenburg boomt derweil der Mülltourismus.

Nicht nur grün lackiert: Die Biogasanlage in BerlinRuhleben macht das Beste aus organischen Abfällen. Foto: Assenmacher, CC BY-SA 4.0, kurzlink.de/ccbysa

Noch ist das neue Berliner Abfallwirtschaftskonzept (AWK) nicht endgültig formuliert und verabschiedet. Aber die vorläufige Fassung zeigt deutlich die Verteilung von Licht und Schatten in dem Papier, das die Leitlinien für den Umgang mit Abfall im kommenden Jahrzehnt festlegen soll. Positiv ist, dass sich Rot-Rot-Grün zum Ziel „Zero Waste“ bekennt, Restmüll drastisch reduzieren will und auch Bauabfälle als Problem benennt. Negativ dagegen, dass die genannten Ziele nicht ausreichend mit Maßnahmen verknüpft sind.

So fehlt, anders als im letzten AWK von 2011, ein Bekenntnis zur Gebührenfreiheit der Biotonne und zur Abkehr von der klimaschädlichen Direktkompostierung der Berliner Bioabfälle. Zudem muss nach Auffassung des BUND der sofortige Bau einer zweiten Biogasanlage festgelegt werden, um schnellstmöglich alle Berliner Bioabfälle ökologisch sinnvoll verwerten zu können. Dass die kostenlose Bereitstellung der Biotonne sich positiv auf die Mülltrennungsbereitschaft auswirkt, zeigen die Ergebnisse aus anderen deutschen Großstädten, wo die pro Kopf und Jahr eingesammelte Menge Bioabfall bis zu 41 Kilo beträgt. In Berlin sind es nur 20 Kilo.

Politische Ziele allein reichen nicht

Konkret wurde die Regierungskoalition zuletzt in ihren Planungen vor allem beim Aktionsplan „Saubere Stadt“, der mit 36 Millionen Euro finanziert werden soll. Angesichts der gewaltigen Defizite, die es bei der Abfallvermeidung gibt, muss jedoch auch hierfür eine Kommunikationsoffensive gestartet werden. Für weniger Abfall, bessere Mülltrennung und mehr Recycling sind Aufklärung, Information und Motivation der Bevölkerung die entscheidenden Hebel. Wie die dafür notwendige Abfallberatung intensiviert werden soll, bleibt im AWK-Entwurf im Ungefähren.

Unklarheit herrscht auch im wohl wichtigsten Punkt: Wie will der Senat dafür sorgen, dass die landeseigene Berliner Stadtreinigung (BSR) die Ziele des AWK konsequent umsetzt? Der BUND schlägt zweierlei vor: Erstens soll der Senat wieder eine Fachaufsicht über die BSR einführen, um ein Gegengewicht zu den Eigentümerinteressen des Landes (Gewinnabführung, niedrige Gebühren) herzustellen. Zweitens: Wer die Nachfolge der zu Vattenfall wechselnden BSR-Chefin übernimmt, soll klare Zielvorgaben im Arbeitsvertrag bekommen.

Während in Berlin die Ansage gilt, die Restmüllverbrennung zu reduzieren – und der Senat „nur“ die BSR unter Kontrolle bekommen muss –, gibt es in Brandenburg kaum politische Schranken gegen die Müllverbrennung. Die aktuell genehmigte Verbrennungskapazität liegt bei 1,8 Millionen Tonnen im Jahr, das ist mehr als das Dreifache dessen, was in Brandenburg als Siedlungsabfall anfällt.

Plastikverbrennung mit veralteter Technik

Trotzdem hat das Landesumweltamt Mitte Januar im havelländischen Premnitz eine Erweiterung der dortigen Müllverbrennungsanlage von 150.000 Tonnen auf 321.000 Tonnen genehmigt. Der BUND hält das aus mehreren Gründen für falsch. Die Rauchgasreinigung beruht auf veralteter Technik, die Anlage ist lauter als erlaubt und in der Umweltverträglichkeitsprüfung spielten mögliche Alternativen keine Rolle. Vor allem aber besteht der zu verbrennende Abfall zu großen Teilen aus fossilen Stoffen wie etwa Plastik, die gemäß Abfallhierarchie wiederverwendet oder recycelt werden sollen. Zudem ist es zweifelhaft, ob im Fall Premnitz von einer „energetischen Verwertung“ die Rede sein kann, schließlich gibt es in der Umgebung kaum Abnehmer für die bei der Verbrennung entstehende Wärme.

Ebenfalls bedenklich: Neben sortierten und getrockneten Restabfällen (sogenannter Ersatzbrennstoff, EBS), will der Betreiber EEW, der zu 100 Prozent einem chinesischen Staatskonzern gehört, unbegrenzt unbehandelte Abfälle verbrennen. Wenn diese Planung durchkommt, macht Brandenburg seinem Ruf als Müllparadies alle Ehre.

Nach der Wende entwickelte sich die Mark zum beliebten Deponierungsort für legale und illegale Abfälle. 2016 zählte das Land 298 legale Entsorgungsanlagen, darunter 42 Deponien. Der von den öffentlich-rechtlichen Entsorgern im Jahr 2017 neu deponierte Müll summierte sich auf 106.251 Tonnen. Der Rechercheblog muellrausch. de verzeichnete Mitte Januar 2019 125 illegale Deponien, auf denen es in 20 Fällen schon gebrannt hat. 35 weitere illegale Ablagerungsorte wurden bereits geräumt. Die den Steuerzahler*innen daraus erwachsenden Kosten beziffert das Rechercheprojekt auf 467 Millionen Euro.

Zur Karte der bekannten illegalen Mülldeponien in Brandenburg: www.muellparadies.de 

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2019-1. 

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