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Wo Wald wächst

09. Mai 2024 | Bäume, BUNDzeit, Naturschutz

Immer wieder erobert sich Vegetation ungenutzte Orte zurück. Doch der in Berlin und Brandenburg tobende Kampf um Flächen gefährdet auch diese jungen Wälder.

Von wegen Wald wächst langsam: Im vergangenen Juli verdreifachte sich die Waldfläche im Bezirk Neukölln von einem Tag auf den anderen. Zumindest auf dem Papier, denn die Berliner Forsten stuften die 3,9 Hektar Emmauswald offiziell als Wald ein. Der Westteil des gleichnamigen Friedhofs wird seit den 1980er-Jahren nicht mehr bewirtschaftet und hat sich seither zu einem „zweischichtigen Waldbestand aus Linde, Eiche, Ahorn und Birke im Hauptbestand“ mit „Spitzahorn im Unterstand“ und mit einem „Douglasienbestand im Mittelteil“ entwickelt, so die landeseigene Forstverwaltung. Diese Einstufung ist politisch brisant. Auf dem ehemaligen Friedhofsareal möchte die Vonovia-Tochter Buwog 440 Eigentumswohnungen und 214 Mietwohnungen bauen. In der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung fand sich, auch mit Blick auf die neu festgestellte Waldeigenschaft, keine Mehrheit für das Bauvorhaben, worauf Bausenator Christian Gaebler (SPD) im September das Verfahren an sich zog.

Der Waldstatus schützt den Emmauswald nun keineswegs vor der Abholzung, sorgt aber für mehr Aufmerksamkeit für das Bauvorhaben, das nicht nur aus ökologischen Gründen umstritten ist. Braucht Neukölln weitere hochpreisige Wohnungen? In unmittelbarer Nachbarschaft hat das katholische Petruswerk auf dem früheren Klinikgelände am Mariendorfer Weg ein 21-geschossiges Wohnhaus errichtet, das Monate nach seiner Fertigstellung zu großen Teilen noch unvermietet ist. Das Bezirksamt ermittelt, ob der Leerstand einen Verstoß gegen das Zweckentfremdungsverbot darstellt. Anfang April rief das Petruswerk eine Warmmiete von bis zu 32 Euro pro Quadratmeter auf.

Auch in Reinickendorf ist die offizielle Waldfläche größer geworden. Hier bekam der südliche Teil des Parks der früheren Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik das Statusupgrade. Er ist nicht direkt durch die geplante Bebauung auf dem Gelände gefährdet – die landeseigene Gesobau will rund 600 Wohnungen dort bauen, wo noch die als Sternhäuser bekannten Gebäude aus den 1970er-Jahren stehen –, wohl aber indirekt. Nach Insiderberichten sollen die Berliner Forsten an den Waldgrenzen und entlang der Waldwege Maßnahmen zur Verkehrssicherung planen, was voraussichtlich kaum Pflege, sondern in erster Linie Fällungen bedeutet. Bei einem 25 Meter breiten zu sichernden Korridor wären Bäume auf zwei Dritteln der Waldfläche betroffen.

Gute Nachricht aus Bad Freienwalde: Der Wald im Ortsteil Hohensaaten wird nicht für einen kombinierten Gewerbe- und Solarpark gerodet. Mitte Februar zog die niedersächsische Lindhorst-Gruppe ihren Bauantrag zurück, einen Monat später stellte die Stadtverordnetenversammlung das B-Plan-Verfahren ein. Für den Gewerbe- und Solarpark wollte der Investor 370 Hektar Wald roden und teilweise versiegeln lassen. Ihm zufolge handelt es sich um eine wertlose Kiefernmonokultur, die auf dem früheren NVA-Tanklager Oderberg entstanden war. Die vom BUND unterstützte Bürgerinitiative bewertet das umzäunte Areal dagegen als einen von Kiefern lediglich überschirmten Mischwald, den streng geschützte Arten wie Seeadler, Schwarzstorch, Uhu und Fledermaus bewohnen. Geht es nach dem BUND, so erwirbt das Land Brandenburg nun das Waldgebiet, um es als Wildnisfläche unter Schutz zu stellen.

Mit 173 Hektar deutlich kleiner, aber viel prominenter als der nun gerettete Hohensaatener Wald ist die Fläche, die Tesla in Grünheide abgeholzt hat. Als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme muss der US-Autobauer in den nächsten Jahren 520 Hektar Wald anlegen lassen. Rund 150 Hektar davon wurden 2021 östlich von Beeskow mit Traubeneiche, Rotbuche und Ahorn bepflanzt. Vor allem die Buchen, aber auch die Eichen hatten große Schwierigkeiten im folgenden Dürresommer, als die Sonne unbarmherzig auf die kahlen Felder brannte. Ob diese Plantage als Wald anerkannt wird, muss die Forstbehörde des Landkreises Oder-Spree 2026 entscheiden. Der BUND sagt: Aufforstungen können Rodungen nicht ausgleichen. Weil der Waldboden fehlt, ist das Anwachsen ungewiss. Um eine vergleichbare Kohlenstoffspeicherung und andere Ökosystemleistungen erbringen zu können, brauchen Bäume mindestens 60 Jahre. Wir können uns eben keinen Wald bauen.

Dieser Artikel erschien in der BUND 02/2024. Mehr zum Titelthema Wald:
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