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Was die Nationalstaaten nicht schaffen, …

19. Mai 2024 | BUNDzeit, Wasser, Wolf, Naturschutz

… richtet manchmal die EU: eine Auswahl wichtiger Erfolge der europäischen Umweltpolitik, die bei einem Rechtsruck bei der Europawahl gefährdet sind

Die Motive der Pro-Europa-Demo 2019 könnten von 2024 stammen. Fotos: Sebastian Petrich

Naturschutz
Ohne das EU-weite Schutzgebietsnetz Natura 2000, das aus Flora-Fauna-Habitat-Gebieten (FHH-Gebieten) und Vogelschutzgebieten (Special Protection Areas, SPA) besteht, wäre der Naturschutz in Europa eine deutlich schwierigere Angelegenheit. Nicht wenige der juristischen Auseinandersetzungen, die der BUND gegen naturzerstörende Vorhaben oder Praktiken führt, stützen sich auf das FFH-Recht. 2021 verklagte er die Senatsumweltverwaltung, weil sie als verantwortliche Behörde nicht dafür sorgt, dass die Berliner Wasserbetriebe wirksame Maßnahmen zum Schutz der Moore im Grunewald, Spandauer Forst und am Müggelsee ergreifen. Dort graben Trinkwasserbrunnen den FFH-Gebieten buchstäblich das Wasser ab. Gegen den Planfeststellungsbeschluss zur B 96 neu bei Fürstenwalde klagte der BUND 2023 auch deshalb, weil die überdimensionierten Neubaupläne FFH- und SPA-Gebiete beinträchtigen. Beide Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Übrigens schützt die FFH-Richtlinie nicht nur wertvolle Landschaften, sondern auch einzelne Arten. So verdanken Wolf und Biber ihren hohen Schutzstatus der FFH-Richtlinie.

Das Naturschutz-Highlight der letzten Legislatur kam diesen März, als das Europaparlament das Naturwiederherstellungsgesetz verabschiedete. Es verpflichtet die Mitgliedsstaaten, bis 2030 mindestens 30 Prozent und bis 2050 mindestens 90 Prozent der Lebensräume wie Wälder, Grünland, Feuchtgebiete und Gewässer vom schlechten in einen guten Zustand zu versetzen. Dem mit knapper Mehrheit gefallenen Beschluss war eine beispiellose Desinformationskampagne der EVP-Fraktion unter ihrem Vorsitzenden Manfred Weber von der CSU vorangegangen. Ob das Naturwiederherstellungsgesetz tatsächlich umgesetzt wird, hängt von der nächsten Parlamentsmehrheit ab.

Wasser
Mit der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) hat die europäische Politik schon 2000 einen deutlichen Auftrag formuliert: Vom Grundwasser über Flüsse und Seen bis zu den Küstengewässern müssen alle Gewässer einen guten Zustand erreichen. Und das eigentlich schon 2015. Leider ist absehbar, dass dies auch nicht innerhalb der bis 2027 verlängerten Frist gelingen wird, weil die bisher auf nationaler und regionaler Ebene ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen. Der BUND hat daher die Brandenburger Landesregierung verklagt, um einen Bewirtschaftungsplan für die Oder und ihre Nebenflüsse zu erzwingen.

Glücklicherweise lässt der Druck von europäischer Seite nicht nach: Das Europaparlament hat sich mit breiter Mehrheit und gegen die Stimmen der extremen Rechten für die Fortschreibung und Stärkung der WRRL und ihrer Tochterrichtlinien ausgesprochen. Damit ist auch eine deutliche Verschärfung der Grenzwerte für Pestizide und Biozide im Grundwasser verbunden – ein beachtlicher Erfolg, konnten Agrarlobbyist*innen doch bislang jede Beschränkung des Ackergifteinsatzes verhindern. Nun droht allerdings eine Verwässerung der WRRL-Vorgaben durch den mitentscheidenden Rat der Umweltminister*innen, schließlich sind fast alle Mitgliedsstaaten von Vertragsverletzungsverfahren betroffen. Gegen den in Umweltfragen notorischen Vertragsverletzer Deutschland haben BUND und NABU bei der EU-Kommission ein Verfahren erwirkt, das momentan ruht. Ob es wiederaufgenommen wird, hängt auch von der Zusammensetzung des Europaparlaments ab, das wiederum die nächste EU-Kommission wählt.

Klima- und Ressourcenschutz
Ab 2028 kann Müllverbrennung europaweit in den Emissionshandel einbezogen werden. In Deutschland ist das heute schon der Fall. Welche Auswirkungen CO2-Preise in der Branche haben, zeigte sich im Frühjahr 2023, als der Energie- und Entsorgungskonzern Veolia aus dem Müllverbrennungsvorhaben am Kraftwerksstandort Jänschwalde ausstieg. Dieser Rückzug war der erste Sargnagel für das ebenso unnötige wie schädliche Projekt, das der Lausitzer Kohlegigant Leag angesichts des starken Widerstands vor Ort und einer BUND-Klage Ende 2023 aufgab.

Recht auf Reparatur: Die Durchführungsverordnungen der EU-Richtlinie zum Ökodesign verbessern seit 2021 die Reparaturchancen bei Waschmaschinen, Trocknern, Kühlschränken, Geschirrspülern und Displays einschließlich Fernsehern. Neu auf den Markt gekommene Produkte dieser Gruppen müssen mit herkömmlichen Werkzeugen reparierbar sein und die Hersteller müssen nicht nur ausgewählten Vertragswerkstätten, sondern allen professionellen Werkstätten die nötigen Ersatzteile liefern. Diese Pflicht gilt bis zu zehn Jahre nach dem Verkauf des letzten Modells. Allerdings haben die Hersteller die Möglichkeit, bestimmte Ersatzteile nur im Paket anzubieten, was die Reparatur weniger wirtschaftlich macht. In der kommenden Wahlperiode kommt es darauf an, diese Regelungen auf weitere Produktgruppen auszuweiten.

Beim Kampf gegen Plastikvermüllung könnte Europa noch etwas entschiedener vorgehen. Zwar dürfen seit Mitte 2021 ein paar Einwegprodukte aus Kunststoffen nicht mehr verkauft werden, etwa Strohhalme, Einwegbesteck und -teller aus Plastik sowie Becher und Schüsseln aus Styropor. Die EU-Einwegkunststoffverbotsverordnung erfasst aber zu wenig Produkte, außerdem stellen etliche Hersteller statt auf Mehrweg schlicht auf Wegwerfprodukte aus Pappe oder Holz um. Mit der neuen Verpackungsverordnung, auf deren Grundzüge sich Europaparlament und Mitgliedsstaaten gegen den Widerstand der Bundesregierung nun im März geeinigt haben, sollen 2030 weitere Plastikverpackungen, etwa für loses Obst und Gemüse, verboten werden. Außerdem sollen Verpackungen grundsätzlich recycelbar sein. Damit geschieht auf EU-Ebene zwar mehr als auf Bundesebene, aber immer noch viel zu wenig. Auch deshalb setzt sich der BUND für Verpackungssteuern in den Kommunen ein, so auch in Berlin.

Luft
Nachdem die Weltgesundheitsorganisation 2021 neue Empfehlungen abgegeben hatte, einigten sich Kommission und Parlament Anfang 2024 auf strengere Grenzwerte für Schadstoffe wie Feinstaub, Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid und Ozon. In Kraft treten sollen sie 2030. Die Mitgliedsstaaten, die die neuen Grenzwerte nun in nationales Recht umsetzen müssen, haben allerdings dafür gesorgt, dass sie die Frist unter bestimmten Umständen bis 2040 verlängern können.

www.BUND.net/europawahl

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 02/2024.

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