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Wir leben nicht alleine hier

24. Februar 2022 | BUNDzeit, Naturschutz, Wildnisinseln, Wolf, Wolf, Biber, Elch und Co, Artenschutz

Ob in der Großstadt oder janz weit draußen: Wildtiere gehören genauso wie Menschen zum Ökosystem. Wir müssen uns mit ihnen arrangieren und ihnen ausreichend Raum zum Leben geben. Das ist aber leider einfacher gesagt als getan.

Fischotter Fischotter  (pixabay)

Er hat den Ausflug in die City-Ost leider nicht überlebt, der kleine Fischotter, der im vergangenen September in der Nähe des Alexanderplatzes überfahren wurde. Da es sich um ein Jungtier handelte, ist der positive Aspekt der traurigen Nachricht jedoch die Erkenntnis, dass sich die in der höchsten Schutzkategorie („vom Aussterben bedroht“) gelisteten Otter in Berlin fortpflanzen. Ob die Otter nun zurück sind, wie die Presse Ende 2021 freudig vermeldete, ist fraglich. Vermutlich waren sie nie ganz weg, konnten dank moderner Wildtierkameras aber erst jetzt zweifelsfrei an fünf Stellen von Havel, Spree und Teltowkanal nachgewiesen werden.

Dass bundesweit zuletzt wieder mehr Fischotter gesichtet wurden, könnte mit saubererem Wasser zusammenhängen, ist sicher aber auch eine langfristige Folge ihrer Unterschutzstellung. Ähnlich wie der Biber war das als Fischräuber verschriene Wassertier in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fast ausgerottet. Aber Otter und Biber brauchen mehr als einen hohen Schutzstatus, nämlich geeignete Lebensräume: naturnahe Gewässer mit zugänglichen Ufern und schützender (und im Fall des vegetarischen Bibers fressbarer) Vegetation. Davon gibt es in Berlin immer weniger; Ufer werden weiter befestigt, Wohnhäuser am Wasser errichtet, Ufervegetation gerodet.

Lebensräume in Gefahr

Was Biber und Otter brauchen, nützt auch anderen Wildtieren. Sie profitieren von jedem städtischen Grün, das über den üblichen Rasen hinausgeht. In Zeiten, in denen „bauen, bauen, bauen“ für Teile des Parteienspektrums oberste Maxime ist, droht der Stadtnatur ständig Gefahr. Der neue rot-grün-rote Koalitionsvertrag atmet diesen Geist, wenn er das Stadtgrün nur dann sichern will, wenn keine anderen öffentlichen Interessen – sprich: Bauwünsche – entgegenstehen. Deshalb beschäftigt sich der BUND derzeit intensiv mit der Frage, wie viel Neubau Berlin wirklich braucht.

Auch in Brandenburg dreht sich die aktuelle Artenschutzdiskussion letztlich darum, wie viel Raum Wildtiere beanspruchen dürfen. Das betrifft neben den Bibern, die viel Unmut auf sich ziehen, wenn sie einen verschwindend geringen Teil der Landesfläche nach ihren Vorstellungen umgestalten, vor allem die Wölfe. Es ist zwar notwendig – und unter geltendem Recht ohnehin längst möglich –, einzelne Wölfe, die sich Menschen gegenüber aggressiv verhalten oder gut gesicherte Weidezäune überwunden haben, zu töten. Eine sogenannte Bestandsregulierung, also den Abschuss von Wölfen im Rahmen von Jagdplänen, lehnt der BUND aber ab.

Ausrotten oder arrangieren

Sollte eine bestimmte Zahl von Wölfen legal gejagt werden dürfen, ist das keine Garantie dafür, dass die restlichen Wölfe keine Nutztiere mehr reißen. Selbst eine vorübergehend wolfsfreie Zone schafft keine Sicherheit, schließlich kann sie jederzeit von Wölfen neu besiedelt oder durchquert werden. Nebenbei bemerkt: Mit welchem Recht dürfen wir von Menschen in Malaysia oder Botswana erwarten, Tiger und Elefant zu schützen, wenn wir schon mit einem vergleichsweise harmlosen Tier wie dem Wolf überfordert sind?

Unter der Voraussetzung, dass wir den Wolf als Teil unseres Naturerbes akzeptieren, gibt es nur eine sinnvolle Möglichkeit zur Lösung des Konflikts um Wolfsrisse: Die Weidetiere müssen mit Hunden und Zäunen geschützt werden. Dies scheitert bislang nicht an der Machbarkeit, sondern an bürokratischen Hindernissen bei der Kostenerstattung. Die Weidetierhaltenden, die mit ihrer Arbeit Kulturlandschaften pflegen, müssen obendrein angemessene Preise und bessere Vermarktungsmöglichkeiten für ihre Produkte erhalten, denn ihre schwierige wirtschaftliche Situation bedroht die Weidetierhaltung stärker als der Wolf. Aber geht es den Wolfskritiker*innen wirklich um den Schutz der Weidetiere? Leider liegt die Vermutung nahe, dass sie eher ein grundsätzliches Interesse daran haben, den gesetzlichen Artenschutz als solchen aufzuweichen – da kommt der Wolf, der bei einigen Menschen uralte Ängste hervorruft, gerade recht.

Wald vor Wild

Oder fürchten manche Jäger*innen den Wolf als Konkurrenten? Diese Sorge ist unbegründet, schließlich gibt es mehr als genügend Wild. Und mehr, als der Wald verkraftet. Vielerorts verhindern hohe Wildbestände die natürliche Waldverjüngung, weil die Tiere massenweise Keimlinge und Jungbäume fressen. Der im Zuge der Erderwärmung nötige Waldumbau von Kiefernmonokulturen zu hitze- und trockenheitsresistenteren Mischwäldern wird unter diesen Umständen noch Jahrhunderte dauern. Deshalb setzt sich der BUND dafür ein, dass der Grundsatz „Wald vor Wild“ auch das geplante neue Brandenburger Jagdgesetz prägt. So muss es künftig allen Waldbesitzer*innen möglich sein, in ihrem eigenen Forst zu jagen, sofern sie die nötige Qualifikation besitzen. Bislang sind Besitzer*innen kleinerer Flächen gezwungen, die Jagdrechte an Pächter*innen abzugeben. Diese haben häufig wenig Interesse an Jungbäumen, sondern eher an viel Wild, um jederzeit ihrem Hobby nachgehen zu können. Mancherorts füttern sie das Wild sogar, was nur in Notzeiten und zum Anlocken erlaubt ist. Diese sogenannte Kirrung muss grundsätzlich verboten werden, ebenso wie die Jagd auf Zugvögel und geschützte Tiere wie etwa Iltisse und der Einsatz von Bleimunition.

Und selbstverständlich darf der Wolf nicht ins Jagdrecht aufgenommen werden. Der hat sich übrigens nicht als der große Regulierer der Wilddichte erwiesen, er schafft es allenfalls, Reh und Wildschwein in Bewegung zu halten. Aber er hat seinen Platz im hiesigen Ökosystem, ebenso wie Biber, Otter und Elch.

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2022-1. Mehr zum Titelthema „Wildtiere“:
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