Von See zu See im Lychener Land

09. August 2024 | BUNDzeit, Naturerleben

Eine Sommerradtour durch die uckermärkische Seenlandschaft von Fürstenberg nach Templin

Die Retzower Heide nordwestlich von Lychen (Foto: Sebastian Petrich)

Kurz nach dem Start am Bahnhof Fürstenberg, kurz bevor wir in die Waldweiten der Uckermark eintauchen, kommt die Erinnerung, dass wir in einem Land mit einer sehr dunklen Vergangenheit leben. Wir radeln durch die Dorfstraße von Ravensbrück, zur Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Ravensbrück ist es nur ein sehr kleiner Abstecher (geöffnet 10 bis 16 Uhr, Montag geschlossen). Im weiteren Verlauf werden wir einen zweiten Ort passieren, der mit den Verbrechen der Nazizeit verbunden ist. Aber zunächst geht es auf die Lychener Chaussee (L 15), um nach einem Kilometer auf das Sträßchen Am Thymensee nordwärts abzuzweigen.

Schon kurz darauf bietet sich ein weiterer Abstecher an, wenn es die Zeit zulässt: Der zweite westwärts beziehungsweise nach links abzweigende Forstweg endet nach 500 Metern mitten im Naturschutzgebiet Thymen, wo ein schmaler Fußweg einem naturbelassenen Bach folgt, dem Hegensteinfließ. Sehenswert ist hier der Laubmischwald, den Buchen, Eschen und Erlen bilden. Der Name Thymen soll aus dem Polabischen kommen, das die ab dem 7. Jahrhundert hier siedelnden westslawischen Stämme sprachen, und so viel wie Morast oder Sumpf bedeuten. Das passt.

Back on the track. Mit dem Thymensee taucht endlich der erste See der Tour auf. Baden darf man dort aber nicht, weil das Gewässer mitten im Naturschutzgebiet liegt, und es führen auch keine Wege ans Seeufer. Im Dörfchen Altthymen folgen wir der einzigen asphaltierten Straße gen Westen und kommen bald in den Wald und kurzzeitig nach Mecklenburg-Vorpommern. In Dablow winkt die erste Bademöglichkeit: anderthalb Kilometer auf einem unbefestigten Stichweg zum Dablowsee (Liegewiese und Picknicktisch). Spektakulärer ist aber, die nächste Abzweigung nach Nordosten, den zwei Kilometer langen Stichweg zum Brückentinsee, zu nehmen. Dort führt eine Holzbrücke auf die Herzinsel, wo zu DDR-Zeiten die Stasi ein Ferienheim betrieb. Heute gehört die Insel einem Hotelbetrieb, ist aber prinzipiell öffentlich zugänglich und verfügt über mehrere Badestellen.

Keine zwei Kilometer hinter dem Abzweig zum Brückentinsee befinden wir uns wieder auf Brandenburger Territorium und an einer weiteren Badestelle, diesmal am Nordufer des Großen Kastavensees. Weiter geht es in Richtung Lychen, doch kurz hinter den letzten Häusern von Kastaven heißt es schon wieder anhalten. Denn nach Norden eröffnet sich nun die im August und September blühende Retzower Heide (Faustformel: 8. August bis 9. September). Wie die meisten anderen Heiden Brandenburgs hat auch sie eine Vergangenheit als Truppenübungsplatz. Heute halten Schafe die Fläche von Baumbewuchs frei. Auf dem sandigen Areal fühlen sich besonders Webspinnen wohl, von denen 17 verschiedene Arten nachgewiesen wurden. Hinter dem Straßendörfchen Retzow mit seiner Kirchenruine aus dem 13. Jahrhundert wartet am Wurlsee schon die nächste Bademöglichkeit. Absteigen oder weiterstrampeln? Bis ins Zentrum der Uckermarkperle Lychen sind es jetzt nur noch zweieinhalb Kilometer.

Lychens Lage an den sechs Seen brachte im frühen 20. Jahrhundert viele Auswärtige in die Kleinstadt. Nicht nur als Feriengäste, sondern auch als Patient*innen der 1902 zur Tuberkulosebehandlung eröffneten Heilanstalt Hohenlychen. Die Klinik hatte zwischen 1933 und 1945 eine makabre Doppelfunktion. Während Nazigrößen von Himmler bis zur Goebbels-Geliebten hier Wellnessaufenthalte genossen, nahmen nebenan SS-Ärzte tödliche Versuche an KZ-Häftlingen aus Ravensbrück vor. Nach dem Krieg nutzten Rote Armee und Post das Gelände, heute sind einige Gebäude saniert und bewohnt, während andere weiter verfallen.

Wir radeln nun die nach dem Sanatoriumsgründer benannte Pannwitzallee ortsauswärts Richtung Templin und stoppen kurz noch dort, wo das Hohenlychen-Gelände endet. Am Waldrand steht ein auffälliger Sakralbau, die ehemalige Anstaltskapelle. Die Sowjetarmee hatte sie als Treibstofflager genutzt, was der Inneneinrichtung nicht gut bekam. Weiter geht es über einen asphaltierten Radweg immer entlang des Ufers von Zenssee und Platkowsee durch einen hügeligen, naturnahen Buchenwald. Wir passieren Alt-Placht, biegen nach Gandenitz ab (Einkehrmöglichkeit), durchqueren den Templiner Stadtforst und radeln das letzte Stück auf dem Neuplachter Weg über offene Felder zum Bahnhof Templin Stadt.

Radtour ohne Abstecher: ca. 41 Kilometer

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2024-3.

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