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Nicht im Namen des Volkes

16. Februar 2020 | BUNDzeit, Klimawandel

Rechtsextreme schüren gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und machen Stimmung gegen Umwelt- und Klimaschutz. Die Parteien der Mitte dürfen sich davon nicht einschüchtern lassen und selbst dem Populismus verfallen.

Weil ihr die Hetze auf Geflüchtete nicht mehr genügend Aufmerksamkeit bringt, hat die rechtsextreme AFD den Kampf gegen den Klimaschutz als weiteres großes Thema entdeckt. Wie schon bei Eurokrise und Migration zeugen ihre Wortmeldungen von maximaler Empörung bei minimaler Sachkenntnis. Dafür malen die AfDler*innen als professionelle Populist*innen das alte Zerrbild einer verkommenen Elite, die „das Volk“ unterdrückt; in diesem Fall mittels herbeischwadronierter „Klimadiktatur“.

Bundesweit war die AfD damit nicht so erfolgreich, wie sie selbst erwartet hatte: die 11 Prozent bei der Europawahl waren anderthalb Prozentpunkte weniger als bei der Bundestagswahl 2017. In Brandenburg, Thüringen (jeweils 23 Prozent) und Sachsen (27 Prozent) zog die Mischung aus Rassismus und Klimaleugnung deutlich mehr. Dass ein gewisser Anteil der Wahlberechtigten über ein gefestigtes rechtsextremes Weltbild verfügt, das hervorragend mit dem Leugnen wissenschaftlicher Erkenntnisse vereinbar ist, lässt sich allenfalls langfristig über bessere Bildung für alle ändern. Kurzfristig gibt es nur einen sinnvollen Umgang mit den Rechtsextremen: keine Gespräche, keine Kooperationen, keine Resonanz für ihre Themen – und keine Nachsicht, wenn es justiziabel wird.

Wir sind mehr

Damit könnte eigentlich alles geregelt sein. Denn so hässlich die Viertel-, Halb- und Ganzfaschist*innen in den Parlamenten sind, sie stellen nur eine Minderheit. Die große Mehrheit der demokratischen Parteien muss nichts weiter tun, als die Rechtsextremen mit ihrer Hetze und Faktenverdreherei zu isolieren und inhaltlich zu ignorieren.

Doch wie schon beim Thema Migration schlagen etliche Politiker*innen der Mitte auch bei Umwelt- und Klimaschutzfragen in eine ähnliche Kerbe wie die AfD. Da wettert der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) gegen eine in Deutschland angeblich herrschende „Klimahysterie“ und die brandenburgische CDU lädt einen notorischen Klimaleugner als Redner ein – aus „Fairness", schließlich sei mit dem früheren Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) zuvor ein Klimaschützer zu Gast gewesen. Auch für den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner ist keine These zu steil. Der Kohleausstieg sei ein deutscher Sonderweg und die Politik insgesamt von ökologischen Zielsetzungen einseitig dominiert. Für Lindner erfährt das Auto in „Deutschland nur noch Geringschätzung“, und zwar „bis in die Spitzen der Politik“. Wer kann toppen? Tilman Kuban kann. Er wirft den Grünen vor, für Tofuwürstchen und Avocadobrötchen den Regenwald abzuholzen. Ob der Chef der Jungen Union wohl ahnt, wie viel Soja in dem Steak steckt, das er nach eigener Aussage so gern grillt?

Mittiger Populismus

Natürlich wissen die hier zitierten Politiker ganz genau, dass Deutschland weit davon entfernt ist, sich in eine Ökodiktatur zu verwandeln. Im Gegensatz zu den Wissenschaftsleugner*innen von der AfD bestreiten sie auch nicht, dass die globale Erhitzung menschengemacht ist und Handlungsbedarf besteht. Aber sie haben es auf dieselben Wähler*innen abgesehen und so werden sie selbst zu Populist*innen.

Ihr zentrales Versprechen ist, man könne die Menschen am besten durch ein ignorantes „Weiterso“ vor den Zumutungen der Zukunft schützen. Rasen auf der Autobahn, Schnitzel zum Dumpingpreis, Kurztrips nach Malle und Silvesterknallerei verklären diese Populist*innen der Mitte zu Symbolen einer angeblich gefährdeten Freiheit, ja geradezu zu unveräußerlichen Menschenrechten. Die Frage, ob die Folgen des Klimawandels auf lange Sicht eine viel größere Gefahr für Freiheit und Wohlstand bedeuten, sparen sie aber lieber aus.

Das kalkulierte Ökobashing ist keine Spezialität von Union und FDP. Auch in der SPD glauben so einige davon zu profitieren. So versucht sich die Berliner SPD als Schutzpatron der Autofahrenden zu stilisieren und spaltet dabei die Stadtgesellschaft. Sie suggeriert, die Berliner*innen bestünden aus zwei Gruppen: hier die hart arbeitenden Menschen in den Außenbezirken, die fast alle im Schichtdienst malochen und daher dringend auf das Auto angewiesen sind, dort die wohlhabende, abgehobene, ideologiegetriebene Elite in den Innenstadtbezirken, die die Welt vom Fahrradsattel aus zwangsbeglücken will.

Es geht nur noch um das Wie

Müßig zu erwähnen, dass die Wirklichkeit wesentlich komplexer ist. Vor allem aber sind die Wähler*innen gedanklich viel weiter, als die Populist*innen der Mitte glauben. Das zeigen nicht zuletzt die Volksbegehren für Artenvielfalt und den Ausstieg aus der Massentierhaltung, die in so unterschiedlichen Bundesländern wie Bayern und Brandenburg erfolgreich waren. Umwelt- und Naturschutz bewegt längst viele Menschen außerhalb der Ökoszene.

Abgesehen von einer lauten Minderheit, die auf lange Zeit an den rechten Rand verloren ist, teilt die überwältigende Mehrheit die Auffassung, dass es sich lohnt, die Erde als lebenswerten Ort zu erhalten – auch wenn die wenigsten Menschen einen makellosen ökologischen Fußabdruck haben und nicht selten Widersprüche zwischen ihrem Anspruch und ihrem Handeln bestehen. Aber: Die Leute sind bereit für Veränderungen, sie brauchen vielleicht den einen oder anderen Schubser, aber bestimmt keine Populist*innen, die an ihre niederen Instinkte appellieren.

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2020/1. Weitere aktuelle Beiträge zum Schwerpunktthema Populismus:

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