Bodenlose Ignoranz

11. Februar 2025 | Boden, BUNDzeit

Wasserspeicher, Schadstofffilter, Humusproduzent, Treibhausgassenke, Biodiversitätshotspot, Hitzebremse, Pflanzenstandort: Wenn man bedenkt, wie viele wichtige Funktionen ein intakter Boden übernimmt, ist es höchst merkwürdig, wie wenig Schutz er genießt

In ein paar Handvoll Boden stecken mehr Lebewesen als es Menschen auf der Erde gibt. Foto: pffy, creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0

Das Bundes-Bodenschutzgesetz von 1998 wollte die Ampel-Koalition überarbeiten, doch der versprochene Entwurf kam bis zu ihrem Scheitern im November ebenso wenig wie die Neufassung des Bundes-Waldgesetzes und des Hochwasserschutzgesetzes auf den Kabinettstisch. Dabei wäre es höchste Zeit gewesen, dem allerobersten Teil der Erdkruste einen ähnlichen Status wie Luft und Wasser zu verleihen. Ein zeitgemäßes Bodenschutzgesetz würde nicht wie bisher vornehmlich die Altlastenbearbeitung regeln, sondern den Boden mit all seinen Funktionen schützen und Humusaufbau, Bodenfruchtbarkeit und Wasserspeicherkapazität fördern. Es würde die gar nicht zu überschätzende Rolle des Bodens als Kohlenstoffspeicher würdigen und die Flächenversiegelung bremsen.

So ruhen die Hoffnungen auf der nächsten Bundesregierung. Nicht nur, was die Novellierungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes und der für den Bodenschutz ebenfalls wichtigen Wald- und Hochwassergesetze angeht, sondern auch bei der Positionierung in Brüssel.
Auf EU-Ebene läuft gerade der sogenannte Trilog zum Soil Monitoring Law: Wie der Name schon andeutet, verhandeln Kommission, Europäischer Rat und Parlament über einen Gesetzesentwurf, der die Mitgliedstaaten im Wesentlichen zur Beobachtung des Bodenzustands verpflichtet und die Bewertung der Bodenqualität vereinheitlicht. Die Pflicht zur tatsächlichen Bodenverbesserungen droht aus dem bereits abgeschwächten Gesetzesentwurf gestrichen zu werden. Die konservativ- sozialdemokratisch-liberale Parlamentsmehrheit sperrt sich gegen die Idee der Kommission, Grundsätze einer nachhaltigen Bodenbewirtschaftung festzuschreiben. Auch bei der Reduzierung des Flächenverbrauchs stellt sich das Parlament quer.

Verbessern oder nur beobachten?

Welche Impulse gehen für den Bodenschutz von regionaler Ebene aus? In Brandenburg hat die neue SPD-BSW-Regierung mit ihrem Koalitionsvertrag und der Ämterbesetzung eine demonstrative Verachtung für ökologische Fragen jeder Art gezeigt und auch beim Bodenschutz viele Chancen ausgelassen. Gerade das überwiegend sandige Brandenburg ist anfällig für den Verlust von Humus im Mutterboden. Das stellt ein ernstes Problem dar, weil humushaltiger Boden mehr Kohlenstoff und Wasser speichern kann, weniger anfällig für Erosion durch Wasser und Wind ist und gute Ernten im Ackerbau ermöglicht. Eine hervorragende Möglichkeit, den Humusgehalt im Boden zu erhöhen, wäre ein Ausbau der ökologischen Landwirtschaft, die auf vielfältigen Fruchtfolgen und organischen statt mineralischen Dünger setzt. Davon will Rot-Lila allerdings ebenso wenig wissen wie von der Wiedervernässung märkischer Moore.

In einem waldreichen Bundesland wie Brandenburg hätte eine vorausschauende Regierung statt Allgemeinplätzen zum Waldumbau die tatsächliche Verbesserung des Waldbodens auf der Agenda. Auf über 70 Prozent der Waldfläche stehen Kiefern, unter natürlichen Bedingungen wären es nur rund zwölf Prozent. Die in Reih und Glied gepflanzten Nadelbäume produzieren einen nährstoffarmen, sauren Waldboden, in dem Pilze und Bodenfauna keine guten Lebensbedingungen vorfinden. Gut erkennbar ist dieser verarmte Boden an der dicken, nicht zersetzten Nadelstreuschicht auf der Oberfläche. Der Einsatz schwerer Erntemaschinen auf einem engen Netz von Rückegassen verschlechtert durch Bodenverdichtung die Situation zusätzlich. Wenn die Ablösung der Kiefernmonokulturen im selben Tempo weitergeht wie bisher, wird es frühestens in 230 Jahren auf der gesamten Brandenburger Forstfläche einen Mischwald geben, der durch seinen Wasserhaushalt besser an die künftig häufiger auftretenden Dürreperioden angepasst ist.

Zweckentfremdetes Ackerland

Ein weiteres ungelöstes Problem ist der Bodenverlust durch den Braunkohletagebau. Noch bis 2038 wollen SPD und BSW den fossilen Brennstoff aus der Lausitzerde holen, obwohl längst klar ist, dass die Tagebaue zerstörte Landschaften mit unbrauchbarem Boden hinterlassen. Als sei zu verbrauchende Fläche eine unendlich verfügbare Ressource. Dass dem so nicht ist, zeigt die Ankündigung im Koalitionsvertrag den Status der Landschaftsgebiete auszuhöhlen, die fast 34 Prozent der Landesfläche ausmachen.

Maßgeblich verantwortlich für den Run auf die Fläche ist ausgerechnet der Boom der Photovoltaik – und seit die chronisch klammen Kommunen an jeder produzierten Kilowattstunde mitverdienen, können sie kaum mehr Nein zu einer PV-Freiflächenanlage sagen. Schließlich sind diese Einnahmen oft die einzige Chance, neben den Pflichtaufgaben auch Investitionen zu tätigen. Hilfreich wäre eine nachhaltige Gemeindefinanzierung, die die Erpressbarkeit der Kommunen beendet und so die Zweckentfremdung von wertvollem Ackerland erschwert. Doch wo sollen die dringend für die Energiewende benötigten PV-Anlagen hin? Natürlich auf bereits versiegelte Flächen, an denen es in Brandenburg und Berlin keineswegs mangelt. Nach wie vor ist das Dach ohne Photovoltaik die Regel.

Es gibt also Alternativen. Das gilt auch für den Wohnungsbau vor allem in Berlin. Es ist höchst unverantwortlich, intakte und humusreiche Böden wie die Buckower Felder, den Blankenburger Süden und das Gelände Am Sandhaus in Buch zu opfern, wenn gleichzeitig in allen Bezirken Gewerbeflachbauten sowie überdimensionierte Straßen und Parkplätze viel Raum einnehmen. Man darf nicht vergessen: Es ist viel leichter, lebendigen Boden unter eine Betondecke zu stecken, als versiegelte Fläche wieder in einen naturnahen Zustand mit allen Bodenfunktionen zu bringen.

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2025-1. Mehr zum Schwerpunktthema Bodenschutz:

Das etwas andere Archiv: Wo der Berliner Boden mit Schadstoffen belastet ist
„Wie viel Boden wir verbrauchen und was sich neu bildet, passt nicht zusammen“: Interview mit der Bodenkundlerin Sonja Medwedski
Boden in Zahlen
Ökotipp: Maulwürfe im Garten

Die ganze BUNDzeit 2025-1

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb